„Verwandeln Sie das, was andere als Hindernis empfinden, in einen Vorteil“
Interview mit Aischa Sharief
Aischa Sharief, können Sie sich mit ein paar Worten vorstellen?
Ich heiße Aischa Scharief und wohne in Berlin. Mein Vater ist Somalier und meine Mutter Deutsche. Meine Eltern leben seit 60 Jahren zusammen. Ich habe Jura studiert und bin seit 1995 Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Familienrecht. Meine beide Geschwister sind ebenfalls Rechtsanwälte in Berlin.
Warum haben Sie sich für ein Jurastudium entschieden? Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Nach dem Abitur wusste ich nicht wirklich, was ich machen wollte. Ich begann ein Wirtschaftsstudium, merkte aber bald, dass ich damit nicht zurechtkam. Also habe ich meine ältere Schwester um Rat gefragt, die bereits Jura studierte. Sie hat mir geraten, Jura zu studieren und ich weiß noch genau, wie sie sagte, „das kann jeder Idiot“(lacht). Also versuchte ich es mit Jura und schloss mein Studium ab. Es war zwar manchmal sehr mühsam, aber ich habe auch sehr gute Erfahrungen gemacht.
Warum haben Sie sich für ein Studium an der Universität entschieden, anstatt eine Berufsausbildung zu machen?
Meine Eltern waren maßgeblich an dieser Entscheidung beteiligt. Sie wollten, dass alle ihre Kinder zur Universität gehen. Sie verbanden mit unserer universitären Ausbildung unsere gesellschaftliche Anerkennung als afrikanisch-deutsche Kinder. Für sie war es eine Selbstverständlichkeit, denn auch sie hatten eine Universität besucht. Der Hintergrund der Eltern hat sehr oft einen großen Einfluss auf die Orientierung der Kinder. Meine ältere Tochter zum Beispiel studiert jetzt auch Jura (lacht) und die jüngere Betriebswirtschaft. Es ist ein Fakt, dass es für Kinder, deren Eltern studiert haben, sehr oft leichter ist, dies auch zu tun, da es bestimmte Hindernisse, wie die Finanzierung des Studiums oft nicht gibt. Für Einwandererfamilien kommt noch die Sprachbarriere hinzu, die für junge Menschen, die studieren wollen, ein ernsthaftes Hindernis darstellen kann. Für ein erfolgreiches Jurastudium ist das Beherrschen der deutschen Sprache unerlässlich, denn die Sprache ist das wichtigste Arbeitsmittel später im juristischen Beruf.
Hatten Sie Mentoren oder wichtige Personen, an die Sie sich wenden konnten, wenn Sie Fragen zu Ihrer Berufswahl hatten?
Während meines Studiums konnte ich natürlich immer zu meiner Schwester gehen, die bereits Jura studierte. Aber auch alle Freunde, die ich während des Studiums kennengelernt habe, haben mich immer motiviert und ermutigt, nie aufzugeben. Neben meiner Familie waren meine Freunde eine große Hilfe, denn damals wusste ich nicht wirklich, was ich nach dem Studium machen wollte. Ich hätte leicht das Handtuch geworfen, wenn ich nicht so gut umgeben gewesen wäre.
Welchen Rat können Sie einem jungen schwarzen Mädchen geben, das in Deutschland den gleichen Beruf wie Sie ausüben möchte?
Erfahrungen mit verschiedenen Kulturen sollten in juristischen Berufen nicht als Hindernis angesehen werden, ganz gleich, ob sie Rechtsanwältin, Staatsanwältin oder Richterin werden möchte. Es handelt sich um Berufe, die sowohl gesunden Menschenverstand und Lebenserfahrung erfordern, aber natürlich auch das Beherrschen des juristischen Handwerks. Die meisten Zuwanderer oder ihre in Deutschland geborenen Kinder sprechen mehrere Sprachen und sind meist lebenserfahrener als deutsche Kinder. Das sind Vorzüge, die es leichter machen, Menschen besser zu verstehen und sich in sie einzufühlen; Eigenschaften, die in diesen Berufen notwendig sind. Leider muss eine junge schwarze Frau auch damit rechnen, dass sie manchmal mit bestimmten Klischees und Stereotype aufgrund ihrer Hautfarbe konfrontiert wird. In meinem Beruf werde ich immer wieder gefragt, ob ich im Ausländerrecht spezialisiert bin oder welche andere Sprache ich noch spreche. Manchmal sehe ich, dass ich für meinen Beruf mehr bewundert werde als weiße Kolleginnen, als ob mir das Studieren wegen meiner Hautfarbe schwerer gefallen sei. Doch all dies sollte ein junges Schwarzes Mädchen niemals entmutigen. Sie sollte nie zögern, bei Fragen oder wenn Hilfe notwendig, ist, sich Menschen anzuvertrauen, die ihr Potenzial dann sehen, wenn sie es selbst vielleicht nicht sieht. Das können die Eltern, Freunde der Eltern oder andere Menschen sein. Sie muss das, was andere ihr als Hindernis unterstellen, in einen Vorteil verwandeln und ihren Ärger über diese Ungerechtigkeiten in Motivation umwandeln.