Am Tag 9 unserer Kampagne in Niedersachsen stellen wir Rocio Picard vor:

Nichts wird Dir geschenkt. Du musst immer kämpfen, um Deine Ziele zu erreichen.

                                                                                                              Bild  @ Nicole Beneewah

Interview mit Rocio Picard

Können Sie sich kurz vorstellen und einige besonders prägende Ereignisse oder Stationen in Ihrem bisherigen Leben nennen?

Mein Name ist Rocio Santacruz Gonzalon de Picard. Ich bin in Ecuador geboren und aufgewachsen und kam mit 19 Jahren als Kindermädchen nach Deutschland. Ich bin Rentnerin und seit 2015 ehrenamtlich als gewählte Ratsfrau im Gemeinderat von Tostedt. In meiner aktiven Berufszeit war ich Krankenpflegerin und habe viele Jahre als Altenpflegerin gearbeitet. Ich bin verwitwet; Mutter von drei Kindern und stolze Oma. Ein Schlüsselmoment in meinem Leben war die Entscheidung, in Deutschland zu bleiben, nachdem die Diplomatenfamilie, bei der ich als Kindermädchen gearbeitet hatte, das Land verlassen hat. Ich blieb, um hier in Deutschland eine Ausbildung als Krankenpflegerin zu absolvieren – wurde aber mit der brutalen Realität des Ausländerdaseins konfrontiert. Ich stand vor dem Nichts und musste um die Legalisierung meines Aufenthaltes kämpfen. Es waren sehr harte Zeiten, die mich geprägt haben, nicht nur, weil sie schwierig waren, sondern weil ich in dieser Zeit sehr viel über mich und die Menschen gelernt habe; ein Gewinn für meine soziale Intelligenz.

Warum sind Sie in die Politik gegangen?

Die Entscheidung, mich politisch zu engagieren, kam durch Zufall. Ich war zwar schon immer sozial engagiert und in meiner Gemeinde aktiv, habe aber nie daran gedacht, in die Politik zu gehen. Vor etwas mehr als zehn Jahren, als ich schon im Ruhestand war, hat sich in Tostedt eine Gruppe zu einer Wählergemeinschaft zusammengeschlossen und eine internationale Liste für die Kommunalwahl aufgestellt. Ich wurde angesprochen und überredet mitzumachen. So kam ich zu meinem ersten politischen Amt. Meine Gründe und Motive waren eher unspektakulär, würde ich sagen. Ich hoffte, durch dieses Amt vielen Menschen in meiner Gemeinde eine Stimme geben zu können, indem ich ihre Sorgen und Hoffnungen, ihre Anliegen authentisch in die Diskussionen einbringe. Ich hoffte, dadurch etwas zu bewegen und meinen Beitrag zu einer besseren Gesellschaft zu leisten. Inzwischen ist viel passiert und ich bin in meiner zweiten Amtszeit und für eine andere Partei, Bündnis 90/Grüne. Heute muss ich sagen, dass ich diese Entscheidung keineswegs bereue, im Gegenteil. Als Rentnerin eine solche Aufgabe zu haben, ist sinnstiftend und erfüllt mich mit Stolz.

Was sind für Sie bisher die größten Herausforderungen gewesen und wie haben Sie diese zu überwinden?

In meiner ersten politischen Gruppe habe ich ziemlich bald nach Arbeitsaufnahme festgestellt, dass meine Vorstellungen von Zusammenarbeit und Partizipation und die einiger Kolleg*innen nicht ganz zusammenpassten. Ich fühlte mich nicht ausreichend in Entscheidungsprozesse eingebunden und teilweise nicht ernst genommen. Ich habe das angesprochen und es hat sich nichts geändert. Ich wollte nicht gleich alles hinschmeißen, da mir die Arbeit sehr am Herzen lag und ich den Wählerauftrag sehr ernst nahm. Nach dem Motto „Wenn du es nicht ändern kannst, akzeptiere es; wenn du es nicht akzeptieren kannst, lass es“ habe ich mich für einen Fraktionswechsel entschieden und bin nun seit fast acht Jahren bei den Grünen und sehr zufrieden. Geholfen haben mir in dieser Situation vor allem meine gute Menschenkenntnis und meine Intuition, diese Probleme zu erkennen, denn die Angriffe waren teilweise sehr subtil und unterschwellig. Außerdem konnte ich mich auf meine Entschlossenheit und mein Durchhaltevermögen verlassen.

Was würden Sie jungen Frauen empfehlen, die vielleicht überlegen, einen ähnlichen Weg einzuschlagen?

Mir ist bewusst, dass Politik nicht jedermanns Sache ist. Dennoch ist es mir ein Anliegen, dass junge Menschen, insbesondere junge Frauen, in der Politik vertreten sind. Wir sind gerade dabei, im Jugendausschuss einen Jugendrat zu gründen, damit die Jugendlichen einen Ort haben, an dem sie sich zu Themen, die ihnen wichtig sind, äußern und mitentscheiden können. Ich kann also alle jungen Menschen, die aktiv sind, und das sind sehr viele, die gerne gestalten und etwas bewegen wollen, nur ermutigen, den Schritt zu wagen. Auch in jungen Jahren kann man viel bewegen, gerade in Zeiten, in denen die Zukunft unseres Planeten auf dem Spiel steht, ist die Perspektive der Jungen von großer Wichtigkeit. Dabei ist es wichtig, zielstrebig und durchsetzungsstark zu sein, denn nichts wird einem geschenkt.

Am Tag 4 unserer Kampagne in Niedersachsen, stellen wir Mana Atiglo vor:

Nichts ist unmöglich, wenn du an deine Stärke und Fähigkeiten fest glaubst.

                                                            Bild @ Nicole Benewaah

Interview mit Mana Atiglo

  • Können Sie sich kurz vorstellen mit den für Sie wichtigsten Lebensetappen?

Geboren und aufgewachsen bin ich in Lomé (Togo), wo ich nach dem Abitur einen Master in Anthropologie absolviert habe. Ich kam als DAAD-Stipendiatin 2013 nach Deutschland und habe 2015 meinen Master „Management in Non-Profit-Organisationen“ an der Hochschule Osnabrück erfolgreich abgeschlossen. Ich bin Mutter einer Tochter und arbeite seit 2018 als Eine Welt-Promotorin für Migration und Partizipation beim VEN e.V. Meine Aufgabe ist es, Migrantenorganisationen, Initiativen und Einzelpersonen, die in der Entwicklungszusammenarbeit aktiv sind oder werden wollen, durch Informationen, Qualifizierungsangebote, Empowerment, Vernetzung und persönliche Beratung bei der Projektentwicklung (sowohl im In- als auch im Ausland) sowie bei der Antragstellung, Projektabwicklung, Fördermöglichkeiten, Vereinsgründung und vielem mehr zu unterstützen. Nebenberuflich bin ich seit einigen Jahren als freiberufliche Dolmetscherin und Übersetzerin tätig und betreibe ein kleines Nebengewerbe im Bereich E-Commerce.

  • Wie fanden Sie die Ausbildung/ welche Erinnerungen haben Sie an die Ausbildungszeit?

Das Studium war definitiv ein Mehrwert für meine persönliche und berufliche Entwicklung. Obwohl es sehr theorielastig war, konnte ich mir fundierte Fachkenntnisse sowohl in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit als auch im Prozess- und Projektmanagement, Finanzmanagement etc. aneignen. Der Studiengang war Teil eines DAAD-Programms für Fach- und Führungskräfte aus dem globalen Süden und daher mit vielen Studierenden aus der ganzen Welt besetzt. Dadurch lernte ich viele verschiedene Kulturen kennen, was sehr viel Spaß gemacht hat. Natürlich war ich auch mit einigen Herausforderungen konfrontiert (Sprache, Heimweh, Diskriminierung/Rassismus…). Aber vor allem die Sprachbarriere war ein großer Stressfaktor, der zeitweise zum Verlust des Selbstvertrauens geführt hat. Ein Masterstudium in Deutsch nach nur sechs Monaten Sprachkurs ist/war kein Geschenk. Aber ich habe es geschafft und bin sehr stolz darauf.

  • Warum wählten Sie diesen Beruf?

Schon als Jugendliche beschäftigten mich Fragen rund um die Themen nachhaltige Entwicklung und globale (Un-)Gerechtigkeit. Dies setzte sich während meines ersten Studiums der Anthropologie an der Universität von Togo fort. Dort engagierte ich mich in verschiedenen Vereinen und entwicklungspolitischen Projekten. Hinzu kam, dass ich das Glück hatte, als persönliche Assistentin für meinen Hauptdozenten zu arbeiten, der zu dieser Zeit als nationaler Berater für ein von der UNDP finanziertes Projekt tätig war, um das zweite Strategiepapier zur Armutsbekämpfung in Togo zu entwickeln. Diese Erfahrung im Bereich Zivilgesellschaft und lokale Entwicklung hat mich damals so begeistert, dass ich, als sich mir durch ein DAAD-Stipendium die Möglichkeit bot, mich im Bereich Entwicklungszusammenarbeit und Zivilgesellschaft weiterzubilden, diese Chance sofort genutzt habe. So kam es, dass ich meinen Master in Management in Nonprofit-Organisationen mit dem Schwerpunkt Entwicklungszusammenarbeit gemacht habe.

  • War es für Sie schwierig einen Job zu finden? Was waren die größten Herausforderungen beim Berufseinstieg und wo haben Sie die Kraft und Motivation gefunden, diese zu überwinden?

Nach meinem Studium habe ich zwei Jahren gebraucht, um einen Job in diesem Bereich zu finden. Die Herausforderungen beim Berufseinstieg waren einerseits die mangelnde Arbeitserfahrung und andererseits der strukturelle Rassismus. Die Soft Skills, die für die meisten Stellen verlangt wurden, konnten die meisten Absolventen nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland kaum erfüllen. Nach mehreren Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen war ich wie viele meiner Kommilitonen kurz davor aufzugeben und zurück in die Heimat zu kehren. Meine größte Kraft war mein christlicher Glaube. Kurz vor meinem Abitur war mein Papa, mein größter Unterstützer und Vorbild verstorben. Ich habe mich dann erinnert, dass ich meinem Papa versprochen habe, dass ich nie aufgeben werde. Außerdem bin ich die Einzige in meiner Familie, die es so weit geschafft hat. Ich konnte es mir also nicht leisten, zu versagen. Also bin ich mit meinem Glauben an Gott und an mich selbst aufgestanden und habe die Türen mit Gewalt geöffnet.

  • Was würden Sie jungen schwarzen Frauen mit auf den Weg geben, die von einer Karriere als in der Entwicklungszusammenarbeit träumen?

Viele Wege können zu einer Karriere in der Entwicklungszusammenarbeit führen. Eine solide Grundausbildung bzw. -Studium gibt dir die notwendige Fachkompetenz, um in den verschiedenen Themenbereichen arbeiten zu können. Darüberhinaus und am wichtigsten ist der Glaube an sich selbst die wichtigste Voraussetzung, um beruflich Fuß zu fassen und sich zu behaupten. Denn nichts ist unmöglich, wenn du an deine Stärke und Fähigkeiten fest glaubst. Gib immer dein Bestes und lass dich von niemanden runterziehen! Sei außerdem bereit, deine Komfortzone zu verlassen.

  • Was machen Sie neben Ihrem Beruf, um in Balance zu bleiben – Was hält Sie fit?

Um physisch und mental fit zu bleiben höre ich sehr viel Gospel-Musik, meditiere ich und mache ich ein Mal die Woche (so lange ich Zeit habe) Yogagymnastik.

Am Tag 3 unserer Kampagne stellen wir Malehlohonolo Romdhani vor:

„Just do it!“

Wenn Du eine Idee hast, denke nicht zu lange nach, sondern packe es an und sei dabei stets zielstrebig!

                                   Bild @ Nicole Benewaah

Interview mit Malehlohonolo Romdhani

  • Können Sie sich kurz vorstellen und einige besonders prägende Ereignisse oder Stationen in Ihrem bisherigen Leben nennen?

Ich heiße Malehlohonolo Romdhani und bin Juristin sowie Unternehmerin. Ursprünglich komme ich aus Lesotho, einem kleinen Königreich innerhalb Südafrikas. Ich bin verheiratet und habe einen Sohn. Nach meiner Schulzeit absolvierte ich Bachelorstudium in Physiotherapy an der Universität Kapstadt. Kurz nach Beginn meines ersten Jobs verletzte ich mich schwer an der Hand und konnte den Beruf nicht mehr ausüben. Daher musste ich mich neu orientieren und entschied mich dazu, Jura zu studieren. Ich erwarb meinen Bachelor an der Universität Kapstadt.

Im Jahr 2009 wanderte ich nach Deutschland aus, wo ich meinen Master of Law mit Spezialisierung auf IT-Recht absolvierte. Was mich in meinem Leben bisher besonders geprägt hat, oder besser gesagt, was mich ausgezeichnet hat, ist mein Geschäftssinn. Schon von Kindesbeinen an hatte ich immer Ideen und betrieb kleine Geschäfte. Diese Eigenschaft führte schließlich zu meinem aktuellen Start-up für natürliche Haarpflegeprodukte für Afrohaare.

  • Warum haben Sie diesen Beruf gewählt?

Meine Berufswahl für meinen Hauptjob als Juristin geht auf eine pragmatische Entscheidung zurück. Wie oben schon erwähnt, habe ich mich nach der Schule zunächst für den Beruf der Physiotherapeutin begeistert. Nachdem ich aufgrund einer irreparablen Handverletzung diesen Beruf nicht mehr ausüben konnte, musste ich mich neu orientieren. Das Jurastudium erschien mir als die Option mit vielfältigen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt an. Was meine andere Aktivität als Entrepreneurin betrifft, so haben viele Faktoren dazu geführt.

Es begann bereits in meiner Jugend, als ich begann, die gängigen Schönheitsideale, die glattes Haar bevorzugen, zu hinterfragen. Als Kind haben wir unsere Haare mit chemischen Produkten geglättet, auch weil glattes Haar als pflegeleichter und schöner angesehen wurde. Jedoch enthalten diese Produkte oft gesundheits-schädliche Inhaltsstoffe. Gleichzeitig stellte ich fest, dass es in Deutschland kaum hochwertige Pflegeprodukte für meinen Haartyp gab. Insbesondere nach der Geburt meines Kindes wollte ich auf keinen Fall die gängigen Markenprodukte verwenden, da ich ständig Kopfhaut Irritation und schuppen bekommen hatte. Deshalb begann ich in meiner Küche Haarpflege Produkte und Pflegeöle für den Eigenbedarf herzustellen. Da habe ich die Wirkung von Moringaöl entdeckt. Es hat meine Kopfhaut-Probleme gelindert. Es dauerte nicht lange, bis ich beschloss, diese Produkte mit Moringaöl auch anderen zugänglich zu machen. Es war offensichtlich, dass es eine Marktlücke gab, und ich empfand eine Art Verpflichtung, meine Lösung nicht für mich allein zu behalten. So entstand Zamata Cosmetics (https://zamatacosmetics.com/).

  • Wie fanden Sie die Ausbildung? Welche Erinnerungen haben sie an die Ausbildungszeit?

Mein Jurastudium absolvierte ich in zwei Phasen. Den Bachelor-Abschluss erwarb ich in Südafrika, während ich das Masterstudium in Deutschland absolvierte. Es war eine äußerst interessante Zeit, die zwar mit anfänglichen sprachlichen Herausforderungen verbunden war, aber das Studium an sich hat mir großen Spaß gemacht. Besonders faszinierend war die Tatsache, dass es sich um ein Europa-Programm handelte, das mir ermöglichte, ein Semester in Stockholm, Schweden, zu studieren. Meine Masterarbeit verfasste ich dann in der Rechtsabteilung bei Volkswagen, wo ich seit meinem Abschluss in verschiedenen Abteilungen tätig im Einsatz bin. Für meine Tätigkeit als Unternehmerin ist es größtenteils ein Learning-on-the-Job-Prozess, obwohl mir mein Jurastudium dabei sehr zugutekommt.

  • War es für Sie schwierig, eine Stelle zu finden? Was waren die größten Herausforderungen beim Berufseinstieg und woher nahmen Sie die Kraft und Motivation, diese zu überwinden?

Nach meinem Studium konnte ich direkt beim Arbeitgeber, bei dem ich meine Masterarbeit verfasst hatte, eine Stelle als Doktorandin erhalten. Dadurch verlief der Übergang zum Arbeitsmarkt ziemlich nahtlos. Natürlich gab es hier und da Herausforderungen, aber sie sind Teil des Weges und dazu da, damit wir über uns hinauswachsen und uns weiterentwickeln. Meine Offenheit und Zielstrebigkeit haben mir immer geholfen, diese Herausforderungen zu meistern. Mit meinem Naturkosmetik-Geschäft begegnen mir andere, vielfältigere Herausforderungen. Zum Beispiel hatte ich große Schwierigkeiten, Partner für die Herstellung meiner Produkte zu finden. Viele meiner Kooperationsanfragen stießen auf Skepsis und Ablehnung. Doch ich ließ mich davon nicht demotivieren und letztendlich gelang es mir, einen guten Partner zu finden, der meine Idee sehr gut verstand. Resilienz ist auch eine wichtige Qualität, wenn man ein Unternehmen gründet und erfolgreich führen will.

  • Was würden Sie jungen schwarzen Frauen mit auf den Weg, die von einer Karriere als Juristin träumen oder ein Geschäft aufziehen möchten?

Überlege nicht zu lange, wenn du eine Idee oder ein Projekt hast. Lege los und sei stets neugierig und offen für Veränderungen. Die Welt braucht Menschen mit Ideen, und wenn du ein Problem erkennst und eine Lösung dafür findest, betrachte es als deine Bestimmung, es auszuprobieren. Vielleicht hast du nicht alle nötigen Kenntnisse, um es umzusetzen, aber mit Bildung kannst du viel erreichen. Mir hat es sehr geholfen, mich von kompetenten und vertrauenswürdigen Menschen in relevanten Fachgebieten zu umgeben. Du bist nicht allein. Finde Mitstreiter, die mit dir gehen und dich unterstützen. Auf deinem Weg wirst du viel über dich selbst lernen, auch über die weniger schönen Seiten. Lass es zu, denn nur so kannst du besser werden.

  • Was machen Sie neben Ihrem Beruf, um in Balance zu bleiben – was hält Sie fit und fokussiert?

Ich arbeite sehr viel und durch die zwei Tätigkeiten muss ich sehr diszipliniert und strukturiert sein.  Außerdem achte ich sehr auf einen gesunden Lebensstil. Ich mache viel Sport und bin leidenschaftliche Podcast-Zuhörerin. Ich kann dabei immer sehr gut abschalten und mich bilden.

Am Tag 2 der Kampagne in Niedersachsen stellen wir Ihnen die Margareth Jean Louis vor

„Kämpfe für Deine Träume und gib niemals auf! Denn es gibt einen Grund, warum Du diesen Traum hast.“

                                                                Bild @ Nicole Benewaah

Interview mit Margareth Jean Louis

  • Können Sie sich kurz vorstellen und einige besonders prägende Ereignisse oder Stationen in Ihrem bisherigen Leben nennen?

Mein Name ist Margareth Jean Louis, ich stamme ursprünglich aus Haiti und lebe seit meinem neunzehnten Lebensjahr mit einer dreijährigen Unterbrechung in Deutschland. Ich bin verheiratet und habe drei Kinder. Von Beruf bin ich Friseurmeisterin, und ich führe seit vielen Jahren erfolgreich meinen eigenen Salon. Der Umzug nach Deutschland hat mich stark beeindruckt. Obwohl es ursprünglich nur als kurzer Aufenthalt geplant war, entschied ich mich recht bald dazu, hier zu bleiben, um mich von meinen Eltern zu emanzipieren. Doch dann traf mich der Kulturschock. Ich lebte in einem Dorf im Emsland und musste gleichzeitig zwei neue Sprachen lernen, Deutsch und Plattdeutsch. Ich litt schnell unter Heimweh und war kurz davor, zurückzukehren. Trotzdem entschied ich mich letztendlich dafür zu bleiben und begann eine Ausbildung. Besonders befremdlich empfand ich die mangelnde Unterstützung seitens der Arbeitsverwaltung. Zu dieser Zeit war ich bereits Mutter einer kleinen Tochter, und überall hieß es: „Warum willst du arbeiten, du hast doch einen Mann.“ Diese Reaktionen schockierten mich zutiefst, denn in meiner Heimat war Mutterschaft kein Hindernis für berufliche Tätigkeiten. In meiner Sozialisation war es selbstverständlich, dass Frauen arbeiteten und finanziell unabhängig waren. Diese Erfahrungen machten mich wütend und bestärkten mich darin, mich nicht demotivieren zu lassen.

  • Warum haben Sie diesen Beruf gewählt?

Schon als kleines Mädchen wollte ich Friseurin werden. Auf meiner Liste standen drei Optionen: Friseurin, Krankenschwester und Hotelfachfrau. Letzteres lässt sich nur sehr schwer mit einer Familie vereinbaren, deshalb habe ich es für mich ausgeschlossen. Krankenschwester war eigentlich der Wunsch meiner Eltern und da ich als Teenager ziemlich gegen sie rebelliert habe, war auch diese Option vom Tisch. So blieb nur noch der Beruf der Friseurin, der sowieso meine erste Wahl war. Um eine Chance auf einen Ausbildungsplatz zu haben, brauchte ich einen deutschen Schulabschluss, denn mein mitgebrachtes Zeugnis zählte hier nicht. Ich habe meinen Realschulabschluss nachgeholt und mich erfolgreich um einen Ausbildungsplatz beworben.

  • Wie blicken Sie auf Ihre Ausbildungszeit zurück? Wie haben Sie die Ausbildung empfunden?

Die Ausbildungszeit war leider eine äußerst schmerzhafte Erfahrung für mich. Kurz nach Beginn der Ausbildung begannen einige meiner Kollegen, mich wegen meiner Herkunft zu mobben. Sie machten sich über meine in ihren Augen unzureichenden Sprachkenntnisse lustig und behaupteten, dass man sich mit mir nicht verständigen könne. Die Situation verschärfte sich, bis meine Chefin, mit der ich anfangs gut ausgekommen war, sich nach Ablauf der Probezeit von mir trennen wollte. Als mir ein Aufhebungsvertrag angeboten wurde, lehnte ich dies jedoch entschieden ab, was den Zorn meiner Kollegen und Vorgesetzten auf mich zog. Ich wurde ausgegrenzt und gemobbt. Trotz allem entschied ich mich dazu, in der Ausbildung zu bleiben und sie erfolgreich abzuschließen, was mir letztendlich auch gelang.

  • War es schwierig für Sie, einen Job zu finden? Und wie sind Sie zu Ihrem Meister gekommen? Was waren die größten Herausforderungen auf Ihrem bisherigen Berufsweg und woher nahmen Sie die Kraft und Motivation, diese zu meistern?

Nach meiner Ausbildung fand ich sofort eine Anstellung in einem renommierten Salon, wo ich meine Arbeit sehr genoss und alles reibungslos lief. Nach einigen Jahren strebte ich natürlich nach mehr: einer besseren Position, höherem Gehalt und vor allem nach flexibleren Arbeitszeiten, besonders da ich kleine Kinder hatte und es herausfordernd war, die regulären Arbeitszeiten mit der Familienzeit zu vereinbaren. Ich begann darüber nachzudenken, selbstständig zu werden, und die Frage nach dem Meisterbrief kam schnell auf. Ich traf die Entscheidung und teilte sie meinem Arbeitgeber mit, was nicht gut aufgenommen wurde. Warum sollte ich als Mutter mir so etwas antun? Mein Chef und meine Kollegen schienen es anmaßend zu finden, dass ich, die unauffällige schwarze Friseurin mit dem starken ausländischen Akzent, solchen Ehrgeiz hatte. Nicht nur, dass sie mir nicht zutrauten, es wahrscheinlich hielten sie es auch für größenwahnsinnig. Das hat mich enttäuscht und gleichzeitig motiviert. Ich nahm mir fest vor, diesen Weg zu gehen und mich von nichts und niemandem demotivieren zu lassen. Ich hatte viel Stress von allen Seiten und wenig Unterstützung von zu Hause. Als ich die Meisterprüfung nicht bestand, war ich kurz davor aufzugeben. Aber die Vorstellung, meinen Traum von der Selbstständigkeit aufzugeben, gab mir die Kraft, weiterzumachen. Ich hatte bereits meinen ersten Salon eröffnet und freute mich trotz des enormen Drucks auf meinen „eigenen Baby“. Einen Weg zurück konnte ich mir nicht vorstellen. Also fing ich wieder an und kämpfte weiter. Ich war die einzige schwarze Meisterin meines Jahrgangs, und das erfüllt mich bis heute mit Stolz.

  • Was würden Sie jungen schwarzen Frauen raten, die davon träumen, Salonbesitzerin zu werden und ihren Meister zu machen?

Niemals aufgeben! Das war und ist mein Credo. Nur du kannst deine Träume und Wünsche verwirklichen! Sie sind aus einem bestimmten Grund, dir erschienen und nur du kannst sie realisieren. Bei allem, was ich angepackt habe, gab es immer so viele Hürden, es wurden mir sogar Steine in den Weg gelegt. Hätte ich alles zu leicht aufgegeben, wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Was mir bei diesen Herausforderungen immer geholfen hat, war das Wissen um meine Rechte und Pflichten. Du hast Rechte. Informiere dich darüber und fordere sie ein!

Am Tag 1 unserer Kampagne in Niedersachsen, stellen wir Ihnen Priscah Habben vor:

„Vertraue der Expertin in Dir! Sie ist Dein Anker und lässt Dich authentisch und sicher auftreten.“

                                                                 Bild @ Nicole Benewaah

Interview mit Priscah Habben

  • Können Sie sich kurz vorstellen und einige besonders prägende Ereignisse oder Stationen in Ihrem bisherigen Leben nennen?

Mein Name ist Priscah Habben und ich bin Psychologin von Beruf. Ich stamme ursprünglich aus Kenia und lebe seit 2005 in Deutschland. Geprägt haben mich sowohl besondere Ereignisse als auch Begegnungen. Der Umzug nach Deutschland war für mich als junges, schüchternes Mädchen aus einfachen Verhältnissen natürlich ein großer Schritt. Doch wenn ich weit zurück in meine Kindheit blicke, erinnere ich mich an einen Traum, den ich als vier- vielleicht fünfjähriges Mädchen hatte und der wohl am prägendsten für meine Berufswahl war. Dazu später mehr. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir auch ein Familienaufenthalt bei einer entfernten Tante. Sie kannte mich kaum, doch sie machte meinen Eltern klar, dass man die kleine, unscheinbare Priscah keinesfalls unterschätzen dürfe. Diese Erfahrung hat mich gestärkt.

  • Warum haben Sie diesen Beruf gewählt?

Das geht auf meine Kindheit zurück. Als ich ca. fünf Jahre alt war, hatte ich einen Traum. In diesem Traum waren meine Familie und ich auf einer wunderschönen Reise. Als ich erwachte, erzählte ich meinem Bruder von diesem Traum, konnte mich jedoch nicht mehr an das Reiseziel erinnern. Ich bat ihn, es mir zu sagen, da er auch in meinem Traum war, aber er antwortete, dass mein Traum nur mir gehörte und wenn ich ihn nicht erzählen könnte, würde niemand davon erfahren. Von diesem Moment an verspürte ich den starken Wunsch, anderen zu helfen, das auszudrücken, was in ihnen schlummerte; der Wunsch, Menschen zu helfen, ihre Sprache zu finden und sich mitzuteilen, keimte in mir und begleitete mich mein ganzes Leben lang. Welches Berufsbild passte besser zu diesem Wunsch als das der Psychologin? So kam es dazu.

  • Wie fanden Sie die Ausbildung? Welche Erinnerungen haben sie an die Ausbildungszeit?

Meine Ausbildungszeit bestand aus zwei Phasen: Zunächst musste ich die Hochschulzugangsberechtigung am Studienkolleg erlangen, bevor ich mit dem Psychologiestudium beginnen konnte. Diese Zeit war herausfordernd, da ein Dozent den Studierenden das Leben schwer machte und mich dazu brachte, aus pragmatischen Gründen meine Fächerkombination zu ändern. Das Psychologiestudium verlief dagegen, abgesehen von den anfänglichen Sprachschwierigkeiten, sehr gut. Ich war äußerst motiviert und engagiert, und das Studium bereitete mir wirklich Freude, weil ich die Inhalte erlernen konnte, die ich mir immer gewünscht hatte.

  • War es für Sie schwierig, eine Stelle zu finden? Was waren die größten Herausforderungen beim Berufseinstieg und woher nahmen Sie die Kraft und Motivation, diese zu überwinden?

Nach meiner Ausbildung hatte ich keine Schwierigkeiten, einen Job zu finden. Ich konnte mich stets durch meine Leistungen empfehlen, vom Praktikum zum ersten Job und dann zum nächsten. Allerdings machte mir anfangs eine Sache Sorgen: Ich fürchtete, dass einige Klienten mich aufgrund meiner Hautfarbe nicht akzeptieren würden, denn als Psychologin dringt man in die Intimsphäre der Menschen ein, die man begleitet. Doch bisher hat alles gut funktioniert, vor allem, weil ich beschlossen habe mich und meine Klienten als Menschen zu sehen und nicht als (haut) Farbe. Mit dieser Einstellung und die Unterstützung meiner Vorgesetzten, Kollegen und Familie, bin ich gut gefahren.

  • Was würden Sie jungen schwarzen Frauen raten, die von einer Karriere als Psychologin träumen?

In meiner aktuellen Funktion als Betriebspsychologin habe ich hauptsächlich mit Führungskräften zu tun, oft selbstbewussten Personen. Wenn man bedenkt, wo ich geboren und aufgewachsen bin, reicht Mut allein nicht aus, um sich in solchen Kreisen zu behaupten. Das Erlangen von Bildung und Kompetenz ist unabdingbar. Ich verlasse mich stets auf mein Fachwissen und meine Kompetenz, die ich immer erweitere und aktualisiere, was mir das nötige Selbstvertrauen verleiht, um entsprechend aufzutreten. Für mich ist es entscheidend, dass alles, was ich tue, mit dem Anspruch erfolgt, darin eine Expertin zu sein, ohne meine Authentizität zu verlieren. Auf diese Expertise kann ich mich stets verlassen. Mein Rat an junge Frauen und Menschen wäre daher, Expertin auf dem eigenen Gebiet zu werden und dem Fachwissen, das man besitzt, zu vertrauen und stets authentisch zu sein. Werde zur Expertin auf deinem Gebiet und vertraue der Expertin in dir!

  • Was machen Sie neben Ihrem Beruf, um in Balance zu bleiben; was hält Sie fit und konzentriert?

Nun, ich habe das Glück, einen Beruf zu haben, der mir Spaß macht und mich begeistert. Da fällt es mir nicht schwer, mich zu motivieren. Dennoch ist es wichtig, bei meinem Arbeitspensum darauf zu achten, dass ich körperlich fit bleibe. Wie viele andere treibe ich regelmäßig Sport und halte mich an ein festes wöchentliches Fitnessprogramm. Zusätzlich gönne ich mir regelmäßig Auszeiten allein, mit meiner Familie oder mit Freunden. Besonders effektiv kann ich im Alltag abschalten, indem ich mich mit einem spannenden Buch, Hörbuch oder Podcast beschäftige oder Musik höre.

Am Tag 1 unserer Kampagne in Bremen, stellen wir Ihnen Virginie Kamche vor:

„Mach Dich stark für Deine Ideen“

Für ihr über 20-jähriges Engagement für interkulturelle Öffnung und ihre Rolle als Sprachrohr der afrikanischen Community in Bremen wurde Virginie Kamche 2019 mit dem Bremer Diversity Preis ausgezeichnet.

Interview mit Virginie Kamche

  • Könnten Sie sich bitte kurz vorstellen und ein paar Worte zu Ihrer Person sagen?

Ich komme aus Kamerun und bin Fachpromotorin für Migration, Diaspora und Entwicklung in Bremen. Ich habe Bauwesen und Informatik in Frankreich und Bremen studiert. Ich leite heute die AG Migration und Vielfalt der SPD Bremen und den Sprachenrat. Ich habe den Verein Afrika Netzwerk Bremen e. V. im Jahr 2010 mitgegründet, nachdem ich bei meiner Ankunft in Deutschland mit Ungerechtigkeit, Rassismus und Diskriminierung konfrontiert wurde. Das Ziel des Vereins war es, eine Plattform zu bieten, die Afrikaner:innen in der Stadt zusammenbringt, um ihnen zu helfen, ihre Rechte zu verteidigen.

2014 beendete ich mein Referendariat und arbeitete einige Jahre als Lehrerin an einem Gymnasium in Bremerhaven. Außerdem bin ich Mutter von zwei Kindern. Seit 2017 bin ich Fachpromotorin für Migration, Diaspora und Entwicklung in Bremen. In dieser Position geht es darum, die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen in der Gemeinschaft der Migranten zu fördern.

  • Was waren die Beweggründe für Ihr Engagement?

Ziel war es, die Community zusammenzubringen, um gemeinsam über unsere Probleme zu diskutieren und Lösungen zu finden. Ich sehe mich in erster Linie als Mensch, als Teil der Weltgemeinschaft. Ich liebe die Menschen, unabhängig davon, wo sie herkommen. Deshalb beschränkt sich mein Engagement nicht nur auf die afrikanische Gemeinschaft. Ich arbeite zum Beispiel eng mit bulgarischen, indonesischen, indischen und anderen migrantischen Communities zusammen. So konnten wir gemeinsam mit dem Focke-Museum in 2019 das erste Bremer Festival der Kulturen initiieren.

  • Beschreiben Sie Ihren typischen Tag bei der Ausübung Ihres Berufs.

Mein Arbeitstag beginnt normalerweise sehr früh am Vormittag. Ich habe eine Funktion, in der ich viel zuhören muss. Es kommt nicht selten vor, dass ich schon um sechs Uhr morgens angerufen werde. Dann geht es weiter mit Besprechungen und der Bearbeitung von Anfragen per E-Mail. Und manchmal bin ich bis Mitternacht damit beschäftigt. Um Migranten zu erreichen, organisiere ich regelmäßig kulturelle Veranstaltungen wie den Tag der Muttersprache, das Festival der Kulturen oder den Diaspora-Preis. Das Ganze ist zwar eine Menge Selbstverzicht, aber ich habe Spaß an der Arbeit. Noch motivierter bin ich, wenn ich die konkreten Ergebnisse dieser jahrelangen Arbeit sehe, wie zum Beispiel die Möglichkeit, jungen Migranten Praktikumsplätze anzubieten.

  • Haben Sie sich schon einmal so entmutigt gefühlt, dass Sie aufgeben wollten?

Oh ja! Sehr oft (lacht). Der Kampf gegen Diskriminierung bringt mit sich, dass wir mit vielen Formen von Diskriminierung konfrontiert werden. Es ist nicht einfach, mit Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenzuarbeiten. Man muss Überzeugungsarbeit leisten, Rückschläge und Enttäuschungen einstecken. Zum Glück gibt es auch viele positive Aspekte. 

  • Wie und woher haben Sie die Motivation und die Kraft genommen, trotz der Schwierigkeiten weiterzumachen?

Ich freue mich über kleine Erfolge. Wenn ein Jugendlicher sagt, dass er dank uns einen Praktikumsplatz bekommen oder seine Mathe-Note verbessert hat, oder eine Frau wertschätzt, dass sie dank uns, Erfahrung im Einzelhandel gemacht hat, weil es ihr Traumberuf ist, erfreuet es mich. Das motiviert mich zusätzlich und bestärkt mich darin, dass sich mein Einsatz lohnt. Viel Geduld bringe ich auch mit. Und die braucht man für diesen Job. Ich bin auch froh, dass ich von der Stadt Bremen unterstützt werde. Auch mein Eintritt in die SPD und mein politisches Engagement haben sich durch diese Arbeit ergeben. Ich beabsichtige, bei der nächsten Wahl für das Abgeordnetenmandat zu kandidieren.

  • Wenn Sie die Möglichkeit hätten, Ihr Engagement mit dem Wissen von heute noch einmal zu beginnen, was würden Sie anders machen?

Als der Verein gegründet wurde, versuchte ich, so viele Menschen wie möglich für meine Idee zu gewinnen. Das Wichtigste für mich war, so viele Leute wie möglich im Verein zu haben. Heute, mit der Erfahrung, die ich gesammelt habe, würde ich anders handeln. Ich würde mehr Wert auf die Qualität der Personen legen, mit denen ich meine Projekte auf die Beine stellen möchte. Ich würde mich in erster Linie davon überzeugen, dass die Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten möchte, von den gleichen Werten motiviert sind wie ich selbst und dass sie verstehen, was auf dem Spiel steht.

  • Was würden Sie der jungen Frau, die Sie vor einigen Jahren waren, mit auf den Weg geben, wenn Sie sie heute treffen würden?

Sie braucht Selbstvertrauen, Wertschätzung, Sichtbarkeit, Solidarität und Vertrauen in ihre Arbeit. Wenn sie eine Idee hat und von ihr überzeugt ist, muss sie sich für sie einsetzen. Nichts fällt einem in den Schoß. Ich möchte jungen Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund zeigen, dass es eine Frau wie sie gibt, die ihnen ähnlich ist und es auch einiges auf den Weg gebracht hat.

Am Tag 1 unserer Kampagne in Hamburg, stellen wir Ihnen Georgina Fakunmoji vor:

Don’t believe the Hype, nur, weil er so laut und dominant ist.

Interview mit Frau Georgina Fakunmoju

  • Können Sie sich in wenigen Worten vorstellen?

Das ist gar nicht so einfach, denn sonst bin ich immer die Person die Fragen stellt, ich bin nämlich Journalistin. Ich bin Georgina, 42 Jahre alt und komme aus Berlin. Mein Vater ist aus Nigeria und meine Mutter weiße Deutsche. Außerdem arbeite ich beim Norddeutschen Rundfunk als Journalistin, bei DAS!, einer Live Talk-Sendung. Zusätzlich habe ich einen Literatur-Podcast, der Name: My POC Bookshelf. Im Podcast stelle ich Autor*Innen of Color aus Deutschland, Afrika und der afrikanischen Diaspora, vor.

  • Warum haben Sie sich damals für diesen beruflichen Werdegang entschieden?

Ich habe schon immer gerne gelesen. Ich war in der Schule tatsächlich die erste, die lesen konnte. Wenn wir als Klasse die Aufgabe hatten, Geschichten von zwei Seiten zu schreiben, habe ich meistens zehn geschrieben.
Als Kind wollte ich immer Schriftstellerin werden. Später wollte ich Print-Journalistin bei einer Zeitung werden, doch im Laufe der Zeit wurde mir bewusst, dass es noch ganz andere Sparten im Bereich der Medien gibt. Zum Beispiel das Radio, die Online-Arbeit oder das Fernsehen, bei letzterem bin ich dann gelandet.

  • Was waren denn Ihre größten Herausforderungen auf dem Weg zur TV-Journalistin?

Es waren die Zugänge, ich komme aus einer Familie, in der es nicht selbstverständlich ist Journalistin zu werden. Ich bin die erste, die das Abitur gemacht hat in meiner Familie und ich bin immer bei all dem was ich machen wollte hartnäckig gewesen. Ich war gut in dem was ich mache und habe durch mein Grundselbstvertrauen die Dinge die ich tue niemals angezweifelt.
Viele bekommen beispielsweise keine Hochschulempfehlung, weil sie eine Migrationsgeschichte haben, das war bei mir zum Glück nicht der Fall.
Obwohl ich aus einer Hochhaussiedlung komme, bin ich in einer Villengegend in die Schule gegangen. Somit hatte ich eine sehr gute Schulbildung. Die Probleme kamen erst mit der Zeit an der Universität. Dort habe ich ganz schnell festgestellt, dass ich eine der einzigen People of Color war. In mir kamen Fragen auf wie: Wieso sind die anderen People of Color nicht mehr dabei? Weshalb bin ich nur von weißen Menschen umgeben. Von unserem Professor kamen dann auch immer mehr Zuschreibungen. Ich saß mit meiner deutsch-iranischen Freundin in der ersten Reihe des Hörsaals und wir wurden gefragt, ob wir Deutsch sprechen können. An der Universität wurden verschiedene Themen nicht angesprochen, bei denen ich wusste das es nicht nur die eine Wahrheit gibt. Was mich unglaublich sauer gemacht hat und mir sehr viel Energie gekostet hat, war das ständige droppen des N-Worts der Dozent*Innen und die permanente Reproduzierung von Rassismen. Und das im Unibetrieb, wo es ja eigentlich heißt hier ist Bildung am Start. Bei all dem trotzdem dran zu bleiben und nicht alles hin zu schmeißen, war die größte Herausforderung.
Eine weitere Herausforderung war das mir Kontakte fehlten und mir somit Zugänge verwehrt blieben. Es öffneten sich mir aber Türen mit Hilfe eines Programms, so wurden meine Talente gesehen und meine Arbeit wertgeschätzt.

  • Hatten Sie Mentoren?

Meine Mutter war ein großer Teil, in meinem Leben der immer an mich geglaubt hat und versucht hat alles für mich möglich zu machen.
Ein starker Familienzusammenhalt ist sehr wichtig aber auch der Austausch außerhalb der Familie mit Gleichgesinnten. Unter Menschen, die einen verstehen kann Zuspruch gefunden werden. Es ist so schwierig zu sagen vertraue in dich selbst, und du schaffst das alles. Weil es ist erdrückend ist, was da draußen unterwegs ist.
Was mir ebenfalls geholfen hat, ist nach Vorbildern und Hilfen in Büchern und Kinderbüchern zu suchen. Um zu erfahren, dass es viele starke Vorbilder gibt und um eine andere Realität über uns zu erfahren, nicht nur die, die es von weißer Seite über uns gibt.

  • Wer sind Ihre Vorbilder?

Ich habe so viele Menschen, die mich inspirieren, mit dem was sie machen. Es ist die Connection zwischen den Biografien von Menschen, die an ihre Grenzen gegangen sind oder Sachen geschafft haben, die für sie nicht vorgesehen waren. Ein Vorbild ist für mich auch eine Putzhilfe, wie meine Nachbarin die jeden Tag, dreißig Jahre lang an der Universität geputzt hat. Aus all den Geschichten kann ich eine gewisse Resilienz, eine Widerstandskraft für mich herausziehen, die mir ganz viel gibt.

  • Welche 3 Tipps würden Sie jungen Schwarzen Mädchen mitgeben?

„Don’t believe the Hype, nur, weil er so laut und dominant ist.“ Damit meine ich glaube nicht alles was dir über uns erzählt wird.
„Bleibe bei der Sache, wenn du weißt was du machen möchtest. Mache es immer wieder, denn dadurch wird wird sich irgendwo eine Tür öffnen.“
„Stärke dich mit Menschen, denn man kann es nicht alleine schaffen, man wird dadurch krank. Wir sind alle in diesem weißen System, also suche dir deinen ride or die circle. Safe Space heißt nicht unbedingt immer, dass es ein „Schwarzer“ Space ist. Fühl da rein, such dir Leute, die dir positive Energie geben und keine negative.