„Mach Dich stark für Deine Ideen“
Für ihr über 20-jähriges Engagement für interkulturelle Öffnung und ihre Rolle als Sprachrohr der afrikanischen Community in Bremen wurde Virginie Kamche 2019 mit dem Bremer Diversity Preis ausgezeichnet.
Interview mit Virginie Kamche
- Könnten Sie sich bitte kurz vorstellen und ein paar Worte zu Ihrer Person sagen?
Ich komme aus Kamerun und bin Fachpromotorin für Migration, Diaspora und Entwicklung in Bremen. Ich habe Bauwesen und Informatik in Frankreich und Bremen studiert. Ich leite heute die AG Migration und Vielfalt der SPD Bremen und den Sprachenrat. Ich habe den Verein Afrika Netzwerk Bremen e. V. im Jahr 2010 mitgegründet, nachdem ich bei meiner Ankunft in Deutschland mit Ungerechtigkeit, Rassismus und Diskriminierung konfrontiert wurde. Das Ziel des Vereins war es, eine Plattform zu bieten, die Afrikaner:innen in der Stadt zusammenbringt, um ihnen zu helfen, ihre Rechte zu verteidigen.
2014 beendete ich mein Referendariat und arbeitete einige Jahre als Lehrerin an einem Gymnasium in Bremerhaven. Außerdem bin ich Mutter von zwei Kindern. Seit 2017 bin ich Fachpromotorin für Migration, Diaspora und Entwicklung in Bremen. In dieser Position geht es darum, die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen in der Gemeinschaft der Migranten zu fördern.
- Was waren die Beweggründe für Ihr Engagement?
Ziel war es, die Community zusammenzubringen, um gemeinsam über unsere Probleme zu diskutieren und Lösungen zu finden. Ich sehe mich in erster Linie als Mensch, als Teil der Weltgemeinschaft. Ich liebe die Menschen, unabhängig davon, wo sie herkommen. Deshalb beschränkt sich mein Engagement nicht nur auf die afrikanische Gemeinschaft. Ich arbeite zum Beispiel eng mit bulgarischen, indonesischen, indischen und anderen migrantischen Communities zusammen. So konnten wir gemeinsam mit dem Focke-Museum in 2019 das erste Bremer Festival der Kulturen initiieren.
- Beschreiben Sie Ihren typischen Tag bei der Ausübung Ihres Berufs.
Mein Arbeitstag beginnt normalerweise sehr früh am Vormittag. Ich habe eine Funktion, in der ich viel zuhören muss. Es kommt nicht selten vor, dass ich schon um sechs Uhr morgens angerufen werde. Dann geht es weiter mit Besprechungen und der Bearbeitung von Anfragen per E-Mail. Und manchmal bin ich bis Mitternacht damit beschäftigt. Um Migranten zu erreichen, organisiere ich regelmäßig kulturelle Veranstaltungen wie den Tag der Muttersprache, das Festival der Kulturen oder den Diaspora-Preis. Das Ganze ist zwar eine Menge Selbstverzicht, aber ich habe Spaß an der Arbeit. Noch motivierter bin ich, wenn ich die konkreten Ergebnisse dieser jahrelangen Arbeit sehe, wie zum Beispiel die Möglichkeit, jungen Migranten Praktikumsplätze anzubieten.
- Haben Sie sich schon einmal so entmutigt gefühlt, dass Sie aufgeben wollten?
Oh ja! Sehr oft (lacht). Der Kampf gegen Diskriminierung bringt mit sich, dass wir mit vielen Formen von Diskriminierung konfrontiert werden. Es ist nicht einfach, mit Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenzuarbeiten. Man muss Überzeugungsarbeit leisten, Rückschläge und Enttäuschungen einstecken. Zum Glück gibt es auch viele positive Aspekte.
- Wie und woher haben Sie die Motivation und die Kraft genommen, trotz der Schwierigkeiten weiterzumachen?
Ich freue mich über kleine Erfolge. Wenn ein Jugendlicher sagt, dass er dank uns einen Praktikumsplatz bekommen oder seine Mathe-Note verbessert hat, oder eine Frau wertschätzt, dass sie dank uns, Erfahrung im Einzelhandel gemacht hat, weil es ihr Traumberuf ist, erfreuet es mich. Das motiviert mich zusätzlich und bestärkt mich darin, dass sich mein Einsatz lohnt. Viel Geduld bringe ich auch mit. Und die braucht man für diesen Job. Ich bin auch froh, dass ich von der Stadt Bremen unterstützt werde. Auch mein Eintritt in die SPD und mein politisches Engagement haben sich durch diese Arbeit ergeben. Ich beabsichtige, bei der nächsten Wahl für das Abgeordnetenmandat zu kandidieren.
- Wenn Sie die Möglichkeit hätten, Ihr Engagement mit dem Wissen von heute noch einmal zu beginnen, was würden Sie anders machen?
Als der Verein gegründet wurde, versuchte ich, so viele Menschen wie möglich für meine Idee zu gewinnen. Das Wichtigste für mich war, so viele Leute wie möglich im Verein zu haben. Heute, mit der Erfahrung, die ich gesammelt habe, würde ich anders handeln. Ich würde mehr Wert auf die Qualität der Personen legen, mit denen ich meine Projekte auf die Beine stellen möchte. Ich würde mich in erster Linie davon überzeugen, dass die Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten möchte, von den gleichen Werten motiviert sind wie ich selbst und dass sie verstehen, was auf dem Spiel steht.
- Was würden Sie der jungen Frau, die Sie vor einigen Jahren waren, mit auf den Weg geben, wenn Sie sie heute treffen würden?
Sie braucht Selbstvertrauen, Wertschätzung, Sichtbarkeit, Solidarität und Vertrauen in ihre Arbeit. Wenn sie eine Idee hat und von ihr überzeugt ist, muss sie sich für sie einsetzen. Nichts fällt einem in den Schoß. Ich möchte jungen Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund zeigen, dass es eine Frau wie sie gibt, die ihnen ähnlich ist und es auch einiges auf den Weg gebracht hat.