Am Tag 10 unserer Kampagne in Bremen, stellen wir Ihnen Jasmin Osei Kuffour vor:

Lass Dich nicht so schnell entmutigen

Interview mit Jasmin Osei Kuffour

Können Sie sich bitte in wenigen Worten vorstellen?

Ich bin 31 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Geboren und aufgewachsen bin ich in Bremen. Zusammen mit meinem Mann und meiner Mutter als Köchin führe ich ein Restaurant in Bremen. Wir bieten südafrikanische und ghanaische Küche an. Die Rezepte stammen alle von meiner Mutter.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Restaurant zu eröffnen?

Die Idee kam, weil meine Mutter generell viel gekocht hat. Sie hat in der ghanaischen Gemeinschaft oder in der westafrikanischen Gemeinschaft in Bremen Catering gemacht. Sie hat diese Arbeit sehr gut gemacht, aber es hat meistens an der Bezahlung gehapert. Es war eher die Leidenschaft, die dahintersteckte. Mit dem Job, den ich hatte, war ich damals nicht mehr zufrieden. Eigentlich bin ich gelernte Zahnarzthelferin. Mein Mann war Lehramtsstudent und war zu der Zeit auch nicht ganz zufrieden mit seinem Studium. Und dann führte das eine zum anderen, dass wir einen Businessplan gemacht haben. Im Sommer 2019 haben wir mit dem Catering begonnen. Dann haben wir nach einem Standort gesucht. Den haben wir ziemlich schnell gefunden. Das Restaurant Mataa’s Kitchen wurde Ende Oktober 2019 eröffnet.

Beschreiben Sie Ihren typischen Tag im Restaurant

Morgens geht es eigentlich schon los. Meistens bin ich gegen 8 Uhr da, denn wir haben einen zweiten Standort in der Markthalle 8 in Bremen und einen dritten in der Markthalle Core in Oldenburg. Für diese beiden Standorte gibt es ein Mittagsgeschäft und dafür muss natürlich gekocht werden. Ich koche also für diese beiden Standorte vor. Das wird entweder von meinem Mann geliefert oder von meinem Kollegen, der in Oldenburg arbeitet, abgeholt.  Das ist sozusagen meine Schicht. Die zweite Schicht übernimmt meine Mutter, die dann kocht, wenn in der Markthalle 8 in Bremen etwas nachgeliefert werden muss.  Dann haben wir noch unsere Servicekräfte, die im Hintergrund das Essen vorbereiten. Wir haben auch einen Lieferservice mit eigenen Lieferwagen. Das Essen kann über unseren Onlineshop oder über Seiten wie zum Beispiel Lieferando bestellt und geliefert werden.

Gab es Schwierigkeiten, als Sie mit dem Projekt begonnen haben?

Ja, natürlich. Am Anfang gab es finanzielle Schwierigkeiten. Wir haben viel gespart und alles aus eigenen Mitteln bezahlt. Dann kam der Start. Der Ansturm war schon heftiger, als wir uns vorgestellt hatten. Es war zwar echt schön und cool, dass der Andrang so groß war, aber zum Teil ist man einfach nicht mithalten. Die Leute waren alle neugierig. Wir haben das Marketing technisch sehr gut auf den Weg gebracht. Es war also notwendig, dass wir eine gute Leistung erbringen. Und meine Tochter war noch ganz klein. Das war natürlich nicht so einfach.

Waren Sie schon einmal so entmutigt, dass Sie aufgeben wollten?

Ich sage immer, wenn wir fallen, dann stehen wir auch wieder auf. Natürlich gab es Momente, in denen ich mich gefragt habe, was ich eigentlich mache, warum ich mir das antue und ob es nicht einfacher wäre, von 9 bis 17 Uhr arbeiten zu gehen und dann nach Hause zu fahren. Aber es gab auch sehr oft diese großartigen Momente, wo die Kunden es wirklich schön fanden, was wir geschafft haben. Es ist auch ein tolles Gefühl, wenn man seinen Lebenstraum verwirklicht und eine Erfüllung im Leben gefunden hat. Wir sind die erste Generation von unseren Eltern, die aus Afrika gekommen ist, die die Sprache beherrschen und damit etwas aufbauen können. Unsere Eltern haben die Basis gelegt. Wir können wachsen und unsere Kinder können noch mehr daraus machen.

Wie und woher haben Sie die Motivation und die Kraft genommen, trotz der Schwierigkeiten weiterzumachen?

Meine ganze Familie ist sehr religiös. Meine Kraft, meine Stärken und meine Antworten finde ich bei Gott. Meine Mutter betet immer zu Beginn und am Ende der Arbeit. Sie betet für die Mitarbeiter, für uns und für die Kunden. So ist es auch bei mir. Ohne das wüsste ich nicht, wo ich heute im Leben stünde und wie Mataa’s Kitchen weiter existieren könnte. Meine Mutter hat mich viel inspiriert. Ich weiß jedenfalls, dass ich in dem Alter, in dem meine Mutter jetzt ist, und wie stark sie ist und was sie alles macht, auch so sein möchte.

Mein kleiner Bruder war auch im Team am Anfang und hat uns sehr geholfen. Ich glaube, ohne ihn hätten wir es nicht geschafft. 

Meine Eltern haben mir immer gesagt, dass ich sehr stark bin und viel kann. Und so bin ich durchs Leben gegangen. Der Traum und die Motivation sind, dass wir mehrere Franchise-Unternehmen haben und nicht mehr selbst da sein müssen, sondern einfach die Chefs sind. Wir wollen Unternehmer sein und nicht mehr nur Selbstständige. Wir werden natürlich auch Interessen oder Investoren suchen müssen.

Welche Botschaft würden Sie der jungen Frau, die Sie vor einigen Jahren waren, mit auf den Weg geben, wenn Sie sie heute treffen würden?

Alles ist gut. Verstelle nie Deine Persönlichkeit. Du kannst im Leben viel erreichen. Versuche immer das zu erreichen, was Du erreichen willst. Lass Dich nicht so schnell entmutigen. Lass Dich nicht klein machen. Vor ein paar Jahren hätte ich mir das alles noch nicht im Traum vorstellen können. Aber dass mehr in mir steckt, habe ich immer gewusst.

 

Am Tag 9 unserer Kampagne in Bremen, stellen wir Ihnen Dr. Florence Samkange-Zeeb vor:

“Glaube an Dich und vergleiche Dich mit Niemandem”

Interview mit Dr. Florence Samkange-Zeeb

Können Sie sich bitte kurz vorstellen und ein paar Worte zu Ihrer Person sagen?

Ich bin 58, Mutter von 3 jungen Männern. Ich bin in Zimbabwe geboren, aufgewachsen und verheiratet. Ich lebe in Deutschland seit August 1995. Ich habe eine Ausbildung als Röntgenassistentin. In diesem Beruf habe ich in Simbabwe, Südafrika und Namibia gearbeitet. In Namibia habe ich meinen Mann (Deutscher) kennengelernt und bin dann mit ihm und meinen 2 Söhnen nach Deutschland gekommen, zuerst nach Leimen in der Nähe von Heidelberg. Ich hatte keine Deutschkenntnisse. Zuerst besuchte ich die Sprachschule (VHS, Intensivkurs). Für mich war es selbstverständlich, dass ich Deutsch lernen musste. In Südafrika und Namibia habe ich auch die Landessprachen gelernt (zumindest habe ich es versucht). Mein dritter Sohn kam in Leimen zur Welt. Ich habe einen Master und einen Doktortitel im Gesundheitswesen. Mein Forschungsgebiet ist die Sozialepidemiologie mit dem Schwerpunkt Migration und Gesundheit.

Was hat Sie dazu bewogen, Ihren Beruf zu wählen?

Ich wollte schon immer in der Gesundheitsforschung arbeiten. Zuerst habe ich in Heidelberg und dann in Bielefeld in einem Krankenhaus gearbeitet. In Bielefeld habe ich einen Master in Public Health gemacht. Danach bin ich in die Wissenschaft gegangen. Ohne es geplant zu haben, habe ich mit 49 Jahren promoviert. Die Gelegenheit hat sich irgendwie angeboten, und ich habe die Chance ergriffen. Mit dem Doktortitel sind dann einige berufliche Möglichkeiten entstanden.

Beschreiben Sie Ihren typischen Arbeitstag

Je nachdem, woran ich gerade arbeite, ist das unterschiedlich. Zum Beispiel bin ich gerade mit einem Projekt beschäftigt, in dem es darum geht, die Gesundheitskompetenz von Personen, die von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind, zu verbessern. Da kann es sein, dass der Tag damit beginnt, Interviews zu führen oder Projektmaterialien wie Flyer oder Fragebögen zu erstellen. Manchmal geht es auch darum, qualitative Interviews zu lesen und zu analysieren oder wissenschaftliche Beiträge (Publikationen) zu erfassen. An manchen Tagen ist der Tag auch voll mit Meetings – im Moment mehr online als persönlich. Ab und zu biete ich Workshops zum wissenschaftlichen Schreiben an, die ich vor- und nachbereiten muss.

Hatten Sie in der Schule oder bei der Arbeit jemals Schwierigkeiten aufgrund Ihrer Hautfarbe?

Eigentlich nicht. Ich glaube, ich habe immer Glück gehabt. Schon als Kind war ich sehr selbstbewusst. Ich bin die Jüngste von sieben Geschwistern und hatte das Glück, Dinge zu tun, die meine Geschwister nicht tun konnten. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich vor der Unabhängigkeit Simbabwes geboren wurde. Ich war das erste und einzige schwarze Mädchen in meiner Schule. Mein Vater gab mir immer Ratschläge und sagte mir, ich sei genauso gut wie meine Mitschüler*innen und solle mich nicht mit anderen vergleichen. Er sagte mir auch, dass es wichtig ist, dass ich weiß, dass ich mich nicht ändern muss, um anderen zu gefallen. 

Wie können Sie sich selbst und die Frauen mit Migrationshintergrund in Ihrem Umfeld stärken?

Das Motto meines Vaters war – man ist nie zu alt, um etwas Neues zu lernen. In unserer Familie spielt Bildung eine große Rolle. Wir waren sechs Mädchen und ein Junge. Mein Vater sagte mir, dass er uns, seinen Töchtern, einen Mann fürs Leben gegeben hat, nämlich unsere Bildung. Er hat uns immer ermutigt, den nächsten Schritt zu machen. Von ihm habe ich gelernt, dass es verschiedene Wege gibt, um voranzukommen. Die Tatsache, dass man es nach dem Abitur nicht direkt an die Universität geschafft hat, bedeutet nicht, dass man keine universitäre Ausbildung machen kann. Man darf sich selbst keine Hindernisse in den Weg legen – Gedanken wie zum Beispiel: „Die Dauer des Studiums ist zu lang“. Die Zeit vergeht schneller als man denkt.

Haben Sie ein bestimmtes Buch, eine Zeitschrift, einen Podcast, ein Tool oder eine Technik, die Sie lieben und mit uns teilen können?

Podcasts, Hörbücher oder ähnliches sind nichts für mich. Ich kann mich nicht lange genug konzentrieren. Ich kann zwar stundenlang lesen, aber ich schaffe es nicht, 15 Minuten lang etwas zu hören. Ich lese alles Mögliche – von Krimis bis zu Biografien. Aber ich habe eine Lieblings Buchreihe. Die habe ich im Laufe der Jahre bestimmt mehr als zehn Mal gelesen. Es handelt sich um die Bücher von James Herriot, einem englischen Tierarzt. Es gibt/gab eine Fernsehserie darüber – auf Deutsch: „Der Doktor und das liebe Vieh“. Als Kinder haben wir die Sendung mit meinem Vater angeschaut, natürlich auf Englisch.

Welche Botschaft würden Sie der jungen Frau, die Sie vor einigen Jahren waren, mit auf den Weg geben, wenn Sie sie heute treffen würden?

Mach weiter so, wie Du es damals gemacht hast. Glaube an Dich selbst und vergleiche Dich nicht mit anderen. Jeder hat sein eigenes Tempo – wichtig ist, dass man nicht stehen bleibt.

Am Tag 8 unserer Kampagne in Bremen, stellen wir Ihnen Laura Mabeia vor:

“Gib Nicht Auf, Selbst Wenn Dein Weg Anders Ist.”

 

Interview mit Laura Mabeia

  • Können Sie sich bitte in wenigen Worten vorstellen?

Ich bin 40 Jahre alt und Mutter von vier Kindern. Ich bin verheiratet und arbeite als Klinikpflegeleitung im Klinikum Bremen-Nord. Ich leite vier große Fachbereiche mit ca. 160 Mitarbeitern. Geboren bin ich in Bremerhaven, aber meine Wurzeln liegen in Nigeria.

  • Was hat Sie dazu bewogen, Ihren Beruf zu wählen?

Ich bin wirklich altruistisch. Ich helfe gerne Menschen, und habe Spaß daran Menschen zu helfen, zu unterstützen und diesen Genesungsprozess zu beobachten und zu begleiten. Deshalb bin ich Krankenschwester geworden. Nach vielen Jahren in diesem Beruf habe ich gemerkt, dass das nicht alles ist, was ich will. Ich merkte, dass ich unzufrieden war. Ich wollte etwas verändern, aber das kann man als Krankenschwester nur begrenzt. Es gibt eine Grenze, bis zu der man gehen kann. Ansonsten muss man sich weiterentwickeln. Ich wollte ins Management. Dann kam natürlich die Frage auf, ob ich das mit vier Kindern wirklich schaffen kann. Damals bot mir mein Arbeitgeber eine Kooperation und unterstützte mein Studium mit einem. So konnte ich dann das Studium des Gesundheits- und Pflegemanagements absolvieren. Während des Studiums wurde ich zur Bereichspflegeleitung und Gott sei Dank eineinhalb Jahre später zur Klinikpflegeleitung befördert. Ich bin jetzt seit einem Jahr in dieser Position.

  • Wie war es für Sie, gleichzeitig zu arbeiten, zu studieren und Mutter zu sein?

Am Anfang war es tatsächlich nicht immer leicht. Viele Leute in unserem Umfeld haben gefragt, ob ich das wirklich schaffe. Sie wollten mir ein bisschen ein schlechtes Gewissen machen mit Fragen wie: “Du bist doch Mutter. Wie schaffst du das mit den Kindern? Wirst du dich nicht überfordert fühlen?” 

Aber wenn man weiß, dass die Familie hinter einem steht und einen unterstützt, so wie mein Mann, dann geht es. So habe ich weitergemacht. Ich hatte auch die Unterstützung vom Pastor meiner Gemeinde. 

Ich habe das Studium gerne als Herausforderung angenommen, weil ich mir gesagt habe: Wenn andere das schaffen, warum nicht ich? Ich musste mir einen guten Zeitplan definieren. Ohne Struktur geht es nicht. Wenn man sich die Zeit gut einteilt, dann klappt es auch. Ich habe die Studienzeit sehr genossen. Dieses Studium auf dem zweiten Bildungsweg war genau das Richtige für mich. Und ich kann mir vorstellen, vielleicht noch irgendwann in Richtung Master zu gehen.

  • Was war das für ein Gefühl für Sie, als Frau, als Sie für diese verantwortungsvolle Aufgabe vorgeschlagen wurden? 

Ich fühlte mich sehr geehrt, musste aber auch einen Moment darüber nachdenken, ob ich bereit bin, diese Verantwortung zu tragen. 

Die Position an sich als Frau zu besetzen ist nicht besonders außergewöhnlich. Im Gesundheitswesen, gerade in den Krankenhäusern, sind schon viele Frauen in Führungspositionen. Das ist immer noch ein von Frauen dominierter Beruf. Es war schon früher so, dass die Oberschwester/Stationsleitung eine Frau war. 

In den Kliniken, in denen ich gearbeitet habe, waren Frauen Stationspflegeleitungen, Klinikpflegeleitungen und auch Geschäftsführende Direktorin. Das heißt, die Förderung von Frauen hat es auch dort schon gegeben. Natürlich ist es trotzdem eine Herausforderung, in eine führende Position zu kommen. Wenn wir in Richtung Medizin schauen, sind die Chefärzte tatsächlich überwiegend Männer. Frauen sind in Führungspositionen nach wie vor relativ unterrepräsentiert. 

  • Können Sie Ihren typischen Arbeitstag beschreiben?

Wir beginnen den Tag gleich um 8 Uhr mit einer Besprechung. Es wird kurz der aktuelle Stand in der Klinik besprochen und abgeklärt, ob es irgendwelche dringenden Dinge zu erledigen gibt. Dann geht es weiter mit Telefonaten und E-Mails. Vieles ist bereits im Terminkalender verplant, wie zum Beispiel die wöchentlichen Jours fixes mit den Chefärzten, Direktoren, Bereichs- und Stationsleitungen. Dann kommen noch die Mitarbeitergespräche und Teamgespräche. Wir haben eine “Open-Door-Kultur”.  Das heißt, die Türen in unseren Büros stehen immer offen, so dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu uns kommen können, wenn sie ein Anliegen haben. Ich habe viele Sitzungen in Gremien, hier sind wir beratend und auch aktiv an Projekten beteiligt und entwickeln eigene Konzepte. Wir wollen auch die Wissenschaft einbeziehen und schauen, wie wir Konzepte anpassen oder umgestalten können. Und dann gibt es auch noch neben sämtlichen Personalthemen die wirtschaftliche Planung, die es zu berücksichtigen gilt. Also es gibt schon viele Bereiche, die von einer Klinikpflegeleitung abgedeckt werden.

  • Sind Sie als Frau nichtdeutscher Herkunft bei der Ausübung Ihrer Tätigkeit auf Schwierigkeiten gestoßen?

Ich muss wirklich sagen, dass ich das in der Position, in der ich jetzt bin, noch nicht bewusst erlebt habe. Im Gesundheitswesen sind wir seit Jahren international unterwegs. Wir haben viele internationale Ärtz*innen, die zu uns kommen. Die Kliniken sind diesbezüglich sehr aufgeschlossen. 

Wenn ich auf die Jahre zurückblicke, in denen ich als Krankenschwester gearbeitet habe, gibt es viele Begegnungen, bei denen ich wirklich gedacht habe: Das kann doch nicht wahr sein, dass die Leute immer noch so ignorant sind, was meine Hautfarbe angeht. Manchmal wurde ich von den Patienten gar nicht als Krankenschwester wahrgenommen. Manchmal wollten Patienten nicht von mir behandelt werden. Zum Glück sind meine Kollegen oder der Kreis, in dem ich mich bewege, Menschen, bei denen meine Hautfarbe keine Rolle spielt.

  • Waren Sie schon einmal so entmutigt, dass Sie aufgeben wollten?

Ja, vor allem am Anfang, als ich die Funktion der Bereichspflegeleitung während des Studiums übernommen habe. Da habe ich die Arbeitsbelastung als sehr einseitig empfunden. Da muss man Coping-Strategien entwickeln: Wie kann ich das irgendwie kompensieren, damit ich das durchhalte, und nicht noch aufgebe. Natürlich gibt es diese Momente, in denen man das Gefühl hat, es ist zu viel, es war vielleicht doch nicht die richtige Entscheidung, zu diesem Zeitpunkt in eine Position mit Verantwortung zu wechseln. Aber ich glaube, man muss ein bisschen kämpfen und wissen, dass es etwas Besonderes ist. Man muss sich daran erinnern, dass es ein Privileg ist, diese Situation oder diese Position zu haben. Das hilft sehr.

  • Wie und woher haben Sie die Motivation und die Kraft genommen, trotz der Schwierigkeiten weiterzumachen?

Ich bin Christ. Die Quelle meiner Kraft liegt in der Tat bei Gott. Ich kann es nicht anders ausdrücken. Von dort bekomme ich viel und kann viel zurückgeben. Eine meiner Copingstrategien ist, wenn ich einen schlechten Tag habe, meine Schwester in den USA anzurufen. Sie arbeitet auch im Management und wir tauschen uns viel aus. Sie hört mir zu und ermutigt mich. Natürlich unterstützen mich auch meine Familie und mein Mann. Er sagt: „Mensch, du bist so weit gekommen, das wird schon. „Du musst dich erst an die neue Umgebung und die neue Situation gewöhnen”.

  • Hatten Sie Vorbilder, als Sie Ihre berufliche Laufbahn begannen?

Als ich mein Studium begonnen habe, hat mich Ursula von der Leyen sehr fasziniert. Ich bin eher Pazifist (lacht). Aber ich finde es toll, wie eine Frau aus der Medizin in die Politik gegangen ist, nebenbei 7 Kinder bekommen hat, promoviert und dann unsere Verteidigungsministerin wurde. Heute ist sie sogar Präsidentin der Europäischen Kommission. Das hat mich total inspiriert und ich habe mir gedacht, wow, wenn sie das kann, warum sollte ich das nicht versuchen? Wahrscheinlich hat sie 10 Nannies (lacht), aber ich fand es toll. Dies ist ein erstrebenswertes Ziel.

  • Welche Botschaft würden Sie der jungen Frau, die Sie vor einigen Jahren waren, mit auf den Weg geben, wenn Sie sie heute treffen würden?

Gib nicht auf, selbst wenn Dein Weg anders ist. Du kannst Dein Ziel auch auf andere Weise erreichen. Höre auf die Stimme in Dir, die Dich ermutigt und Dir sagt, dass Du es schaffen kannst. Zu einem späteren Zeitpunkt kannst Du in Deinem Beruf neue Wege eingehen. Es gibt keine Misserfolge. Solltest Du Dein Ziel nicht sofort erreichen, hast Du dennoch Erfahrungen gesammelt und kannst andere damit ermutigen. Herausforderungen sind Chancen, die ergriffen werden müssen. Wenn man sich nie traut, aus seiner Komfortzone herauszukommen, wird man immer derselbe Mensch bleiben und irgendwann verbittert sein und sagen: „Mensch, hätte ich das doch mal gemacht.“ Verspürt man diesen Drang zur Veränderung, dann sollte man ihm nachgeben. 

Am Tag 7 unserer Kampagne in Bremen, stellen wir Ihnen Maimuna Sallah vor:

“Lege Deinen Fokus auf das, was Dir am wichtigsten ist”

Interview mit Maimuna Sallah

  • Können Sie sich bitte in wenigen Worten vorstellen?

Ich bin 31 Jahre alt. Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Meine Wurzeln väterlicherseits liegen in Gambia. Zurzeit studiere ich an der Universität Bremen den Masterstudiengang Transnationale Literaturwissenschaft. Dabei geht es um Literatur, Theater und Film. An der Uni arbeite ich auch als studentische Mitarbeiterin in der Antidiskriminierungsstelle. Nebenbei engagiere ich mich vor allem als Aktivistin gegen Rassismus und mache so ein bisschen politische Bildungsarbeit als Referentin. Ab und zu bin ich auch bei Literaturfestivals als Moderatorin tätig. Neuerdings bin ich auch Co-Leitung der ersten Schwarzen Kinderbibliothek Deutschlands.

  •  Welche Inhalte werden in diesem Studiengang vermittelt?

Der Studiengang ist sehr transdisziplinär. Wir beschäftigen uns mit Literaturen aus der ganzen Welt. Dabei wird vor allem eine postkoloniale Perspektive auf Literatur eingenommen.  Im Filmseminar haben wir zum Beispiel auch einen kleinen Film gedreht. Im Theaterseminar haben wir ein kleines Stück inszeniert. Es wird einfach versucht, kulturelle Gegebenheiten in der Gesellschaft aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.

  • Was hat Sie dazu bewogen, sich für Ihren Studiengang zu entscheiden?

Ich habe einfach schon immer sehr gerne gelesen, und das schon, seit ich ein kleines Kind war. Das Interesse an afrikanischer Literatur und an afro-deutscher Literatur hat mich dazu gebracht, das zu studieren. Im Bachelor habe ich Deutsch und Philosophie auf Lehramt studiert, weil ich schon sehr lange den Wunsch hatte, Lehrerin zu werden. Aber dann habe ich gemerkt, dass ich nicht so gut in den Schuldienst passe und dann vielleicht Dinge unterrichten muss, hinter denen ich selbst nicht stehen kann. Ich wollte lieber etwas Kreativeres machen, auch mit der Befürchtung, dass es dann vielleicht schwieriger ist, einen Job zu finden, weil es auch ein Studium ist, das sehr viel mit Praktika und sehr viel mit Beziehungen zu tun hat. 

  • Was sind Ihre Aufgaben in der Antidiskriminierungsstelle der Universität?

Ich bereite Fortbildungen zum Thema Konfliktberatung oder Diskriminierung am Arbeitsplatz vor. Außerdem habe ich mit meinem Kollegen ein Projekt gestartet, in dem wir versuchen, die studentischen Gruppen an der Universität, die diskriminierungskritisch arbeiten, zusammenzubringen, um so eine Art Antidiskriminierungsnetzwerk an der Universität aufzubauen, das von Studierenden geleitet wird. Die Idee hinter diesem studentischen Netzwerk ist es, an der Universität mehr Sichtbarkeit für Menschen zu schaffen, die von Diskriminierung betroffen sein könnten und dass sie sich im Falle eines Falles informieren können, wo sie Hilfe bekommen. 

  • Haben Sie Vorbilder, die für Sie eine Inspiration oder Motivation waren?

Meine Schwester ist ein großes Vorbild. Sie ist sechs Jahre älter als ich und hat eine zwölfjährige Tochter. Ich bin sehr beeindruckt, wie sie ihr Leben einfach meistert, wie sie arbeitet, wie sie für ihr Kind da ist, wie sie für sich selbst da ist und wie sie mir auch eine gute Schwester ist.

Während meines Studiums fiel mir auf, dass gerade Schwarze Frauen in der Literatur, die wir lasen, sehr unterrepräsentiert sind. Ich bin dann auf eigene Faust auf die Suche gegangen. Ich habe dann viel von Bell Hooks oder Toni Morrison gelesen. Ich war auch auf der Suche nach Autorinnen und Autoren, die in meiner Gegenwart für mich inspirierend sind. Heute lese ich gerne Romane von Sharon Dodua Otoo. Ich möchte auch meine Masterarbeit über ihr Buch « Adas Raum » schreiben. Was die Politik betrifft, so hatte ich Vorbilder wie zum Beispiel Angela Davis. 

Aber meine persönliche Einstellung, mich nicht immer mit Rassismus beschäftigen zu wollen und mich auch nicht darüber zu definieren, hat mich dazu gebracht, ganz normale Literatur zu lesen. Vor zwei Jahren habe ich einen Roman von Olivia Wenzel gelesen. Das Buch handelt auch von einer afrodeutschen Frau in ungefähr meinem Alter. Ich fand die Geschichte sehr schön, weil die Autorin es geschafft hat, die Geschichte einer Frau zu erzählen, die zwar Schwarz ist und Rassismus Erfahrungen macht, aber eben nicht nur. Auch wenn Schwarz sein ein Thema war, ging es nicht immer nur darum, um dieses Leid, das damit einhergehen kann.

  • Sind Sie als Jugendliche in der Schule und als junge Erwachsene an der Universität zu Ihrer vollen Entfaltung gekommen?

Nein.  Ich habe auch Diskriminierung erlebt. Ich musste mich dagegen wehren. Das war sehr schwierig für mich als junger Mensch. Ich bin sehr weiß sozialisiert aufgewachsen, dadurch dass ich eine weiße Mutter habe. Aber trotzdem habe ich von klein auf, wie wahrscheinlich jedes afrodeutsche Kind, gemerkt, dass ich in der Gesellschaft anders behandelt oder anders gelesen werde. Ich glaube, viele Jahre meiner Jugend waren deswegen von großer Unsicherheit geprägt. Ich konnte nicht verstehen, warum Menschen anders auf mich reagieren, wenn ich mich als zugehörig lese, weil ich hier geboren bin. Erst als ich älter wurde und mehr Kontakt zu anderen Schwarzen Menschen hatte, merkte ich, dass es okay ist, wie ich bin. 

Bezüglich meines Studiums habe ich in Oldenburg studiert. Oldenburg ist eine relativ kleine Stadt und ich fand es sehr schwierig, aus einer großen Stadt in so eine kleine Stadt zu ziehen. Generell war dieser Schritt, von zu Hause wegzuziehen, weg von der Familie, schwierig. Ich hatte auf jeden Fall Anfangsschwierigkeiten. Ich war mit der Situation überfordert, auch weil ich die erste in meiner Familie war, die angefangen hat zu studieren. Ich konnte das nicht so richtig teilen. Ich habe auch immer nebenbei gearbeitet, weil wir nicht die finanziellen Mittel hatten, um mein Studium zu finanzieren. Das war schon eine doppelte Belastung für mich, aber ich bin immer sehr gerne zur Uni gegangen. Es war auch trotz allem eine sehr schöne Zeit.

  • Wie und woher nehmen Sie die Motivation und die Kraft, trotz der Schwierigkeiten weiterzumachen?

Ich finde es wichtig, gerade wenn man nicht mehr in seiner Heimatstadt wohnt und die Familie nicht mehr in der Nähe ist, dass man gute Leute um sich hat. Ich habe in den letzten Jahren durch die politische Arbeit Wert darauf gelegt, dass ich auch eine Community, also andere Menschen, die mir wichtig sind, um mich herum habe. 

Ich finde es auch sehr wichtig, manchmal nein zu sagen. Aber auch das lerne ich noch. Ich finde es auch manchmal schwierig, mir selbst meine eigenen Grenzen bewusst zu machen und auch den anderen zu signalisieren, dass jetzt eine Grenze verletzt wird. Auch die Frage, ob ich die Kapazität für Projekte habe, muss ich mir immer wieder stellen. Gerade in unserem politischen Aktivist*innenkreis merke ich oft, dass man das Bedürfnis hat, viel nach außen zu kommunizieren, weil man vielleicht viele Jahre nicht gehört wurde. Aber es ist auch wichtig, nicht zu allem ja zu sagen. Nicht auf jedes Podium zu gehen, nicht bei jedem Projekt mitzumachen, denn man kann die Welt allein nicht retten. Man darf sich nicht ausbrennen lassen. Man muss aufpassen, dass man nicht kaputt geht.

  • Welche Botschaft würden Sie der jungen Frau, die Sie vor einigen Jahren waren, mit auf den Weg geben, wenn Sie sie heute treffen würden?

Suche Kontakt zu Menschen, die in einer ähnlichen Lebenssituation sind oder ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Genau solche Projekte – wie das Projekt #Dasschaffstduauch – sind für Dich da! Du bist nicht allein. Du bist nicht schlecht oder komisch, aber die Gesellschaft will ein Bild von Dir zeichnen, das es in Wirklichkeit gar nicht gibt.

Ich möchte, dass sie auch versteht, dass es sehr wichtig ist, dass man sich nach innen wendet und nicht nur nach außen nach Anerkennung in einer weißen Gesellschaft strebt – Wie man das verfolgt, was einem selbst am Herzen liegt und wie man vielleicht Dinge in der Welt verändern kann, die auch für die eigene Gemeinschaft von Vorteil sind. Ich habe zum Beispiel im Januar 2023 in einem Team hier in Bremen die erste Schwarze Kinderbibliothek eröffnet. 

Am Tag 6 unserer Kampagne in Bremen, stellen wir Ihnen Nomazulu Thata vor:

“Vertraue und folge Deiner Intuition”

Interview mit Nomazulu Thata

  • Können Sie sich bitte kurz vorstellen und ein paar Worte zu Ihrer Person sagen?

Mit 22 Jahren bin ich mit einem Stipendium in die DDR gekommen, wo ich als Naturwissenschaftlerin ausgebildet wurde. Ich habe einen Masterabschluss in Metallurgie. An der Canterbury Christ Church University in Großbritannien habe ich zusätzlich ein Postgraduate Certificate in Education erworben. Ich lebe und arbeite in Bremen seit 2010 und unterrichte dort Chemie. Zudem engagiere ich mich seit vielen Jahren in den sozialen Medien, insbesondere bei der täglichen Online-Zeitung „Bulawayo 24 Social News Media Zimbabwe„. Vor allem aber bin ich die stolze Mutter meines Sohnes. Er ist promovierter Biologe und möchte sich auf Virologie spezialisieren.

  • Warum haben Sie sich für ein Studium der Metallurgie entschieden? 

Ich bin eine Überlebende der Bombardierung der Lager der Freedom Fighters in Sambia. Damals besuchte der ostdeutsche Staatschef die zerstörten Lager und gab mir und anderen die Möglichkeit, in Ostdeutschland zu studieren. Ziel war es, junge Afrikaner_innen in der DDR auszubilden, damit sie später zurückkehren und sich um den Wiederaufbau ihres Landes kümmern können. Da alle sagten, die Stärke Afrikas seien seine Bodenschätze, war für mich das Studium der Metallurgie naheliegend. Damals, Ende der 70er Jahre, war die Zeit sehr von revolutionärem Geist geprägt. Die Wahl des Studiengangs hatte mehr mit dem wirtschaftlichen Aufbau des Landes Simbabwe zu tun.

  • Wie sind Sie Chemielehrerin geworden? 

Ich bin Lehrerin geworden, weil es für mich damals sehr schwer war, in Deutschland eine Arbeit als Metallingenieurin zu finden. Außerdem war ich fest davon überzeugt, dass ich nach Afrika zurückkehren musste. 1994 ging ich als Assistenzprofessorin für Metallurgie nach Simbabwe an die Universität Harare. Ich hatte bereits ein Kind – eine Herausforderung in einem Land, das nicht mehr mein Land war. Dann kehrte ich nach Deutschland zurück, um an der Technischen Universität Berlin zu promovieren. Danach bin ich 1998 nach Südafrika gegangen. Dieser ständige Wechsel von einem Land ins andere war für meinen damals siebenjährigen Sohn eine große Herausforderung. Er hatte Schwierigkeiten, sich im südafrikanischen System zurechtzufinden und sprach kein Englisch. Ich entschied mich, nach Deutschland zurückzukehren, um meinem Sohn ein Stück Normalität zu geben und konzentrierte mich darauf, ihm eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Eine Zeit lang war ich arbeitslos. Damals lag die Arbeitslosenquote für Akademiker in Deutschland bei 11 %. Ich beschloss, nach England zu gehen. Irgendwie schaffte ich es, an der Universität Reading angenommen zu werden, wo ich Chemie unterrichtete.

  • Woher und wie haben Sie die Motivation und die Kraft zum Weitermachen trotz aller Schwierigkeiten?

Ich glaube, ein Kind zu haben, hat so vieles geheilt. Ich glaube nicht, dass ich so viel getan hätte, wenn mein Kind nicht da gewesen wäre oder wenn ich mich anders entschieden hätte. Ich habe einfach gesagt: “Dieses Kind ist da, und jetzt ist es meine Aufgabe, mich um dieses Kind zu kümmern“. Ich erinnere mich, dass ich mir gesagt habe, dass es meine Verantwortung ist, mich um dieses Kind zu kümmern. Mein Sohn hat mir so viel gegeben. Mein Kind gibt mir Kraft.

  • Welche Erfahrungen haben Sie als Schwarze Frau in der Arbeitswelt hier in Deutschland gemacht?

Ich habe sehr gute Erfahrungen gemacht, sowohl im Studium als auch in der Arbeitswelt. Ich muss auch sagen, dass ich im Allgemeinen sehr positiv eingestellt bin. Anzeichen von Rassismus sind mir erst aufgefallen, als mein Sohn in die Schule kam. Diese Art von Rassismus war mir bis dahin unbekannt. Das war einer der Auslöser für meine Entscheidung, nach England zu gehen.

  • Welche Aktivitäten haben Sie jetzt im Ruhestand?

Ich schreibe Bücher und Artikel für Zeitschriften. Ich bin auch politisch engagiert. Ich bereite mich auf die Europawahlen 2024 vor, die ich hoffentlich gewinnen werde. Mein Ziel ist es, als EU-Abgeordnete nach Brüssel zu gehen und dort zu versuchen, die Umsetzung des EU-Marshallplans mit Afrika zu ermöglichen – „AID FOR AFRICA“ muss abgeschafft werden und ein RESET muss her. Der Begriff RESET ist heute das Schlagwort. Es muss eine neue Definition zwischen der EU und Afrika als Nachbarkontinenten geschaffen werden.

Ich bin auch eine Theaterschauspielerin. Derzeit entwickle ich ein Radioprojekt, “Ntombi Langa”, für Frauen in Bremen, Deutschland, in der Diaspora und in Subsahara-Afrika.

  • Waren Sie schon einmal so entmutigt, dass Sie aufgeben wollten?

Ja, man fällt in eine Art Depression, wenn man wie ich starke traumatische Situationen erlebt hat. Eine sehr schwere Depression. Das führte dazu, dass ich meine Lehrtätigkeit aufgeben musste. Ich glaube, das war der Moment, in dem ich dachte, ich muss etwas anderes machen. Das Schreiben half mir, aus der Depression herauszukommen. Eines Tages schlief ich und fragte mich: “Wie lange willst du noch schlafen? Wach auf und tu etwas!” Ich bin aufgewacht und habe angefangen, ein Buch zu schreiben. Nach neun Monaten war das Buch fertig. Ein halbes Jahr später war ein zweites Buch fertig. Ein drittes folgte. Und ich begann, Vorträge zu halten und Artikel zu schreiben. So kam ich Stück für Stück aus diesem schwarzen Loch heraus.

  • Wie können Sie sich selbst und afrikanische Frauen in Ihrem Umfeld stärken?

Ich traf afrikanische Opfer von Menschenhandel und begann, sie als Spiegelbilder meiner selbst zu sehen. Ich stellte mir viele Fragen. Ich wollte wissen, welchen Weg diese Frauen gegangen waren. Wie ich, waren sie von Schlepperbanden verschleppt worden. Ich beschloss, ihnen als Mentorin zur Seite zu stehen. Einmal in der Woche traf ich mich mit ihnen. Ich habe ihnen einfach zugehört. Ich ließ sie reden, ohne ihnen Fragen zu stellen. Wir hatten auch andere gemeinsame Aktivitäten wie Tanzen und Spielen. Durch diese Erfahrung wurde mir klar, dass der Schmerz, den einige dieser jungen Afrikanerinnen in sich tragen, derselbe Schmerz ist, den ich in mir trug und immer noch trage. Ob du aus Nigeria oder Simbabwe kommst, dieser Schmerz ist der gleiche. Drei dieser Frauen arbeiten heute im Radioprojekt “Ntombi Langa” mit.

  • Was wird mit dem Radioprojekt “Ntombi Langa” bezweckt? 

Das Radioprogramm NTOMBI LANGA greift visionäre Themen auf, die von den afrikanischen Mainstream-Medien marginalisiert werden, und bringt sie direkt an die Zielgruppe. Themen wie Menschenrechte, Bildung, Gleichberechtigung oder Selbstbestimmung in der Mitte der Gesellschaft.

Das Projekt verfolgt zwei ineinandergreifende Ziele: Zum einen soll das Internetradio afrikanischen Frauen in Bremen, Bremerhaven und Deutschland als Plattform und Forum dienen, um sich untereinander über Migration zu informieren.

Zweitens: Diese Informationen von Flüchtlingen in Bremen, Bremerhaven und Europa an Frauen in Afrika weiterzugeben: Es sind wichtige Informationen für ihr Leben. Bevor sie die Entscheidung treffen und migrieren, werden sie über die Gefahren von Flucht und Vertreibung und über Migration mit ihren Herausforderungen informiert.

  • Was würden Sie der jungen Frau, die Sie vor einigen Jahren waren, mit auf den Weg geben, wenn Sie sie heute treffen würden?

Ich würde dem Mädchen den Rat geben, dass sie ihrer Intuition folgen soll. Ich habe mich an mein Bauchgefühl gehalten und es hat immer gestimmt. Man kann sich hier und da beraten lassen. Aber wenn ein Mädchen ihrer Intuition vertraut, wird sie nichts falsch machen. Als ich schwanger wurde, war ich in einer verzweifelten Situation. Ich bin meiner Intuition gefolgt und gegen den Rat meines gesamten Umfelds habe ich mich für mein Kind entschieden. Ratschläge sind gut, aber Ihr Körper kann sich nicht irren.

Am Tag 5 unserer Kampagne in Bremen, stellen wir Ihnen Petronille Upadek vor:

“Du bist in Ordnung, so wie Du bist.”

Interview mit Petronille Upadek

  • Können Sie sich bitte in wenigen Worten vorstellen?

Mein Name ist Pétronille Upadek geb. Ngo Ngok. Ich komme ursprünglich aus Kamerun. Ich lebe seit 25 Jahren in Deutschland, in Bremen. Ich bin 45 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Ich bin damals als Au-pair-Mädchen nach Deutschland gekommen. Normalerweise sollte ich nach einem Jahr wieder Deutschland verlassen. Aber aus einem Jahr wurden zwei. Mit dem Beginn eines Studiums wurde mir klar, dass ich in Deutschland bleiben möchte. Ich bin Diplom-Sozialpädagogin und arbeite seit 2008 bei der Caritas Erziehungshilfe gGmbH in Bremen. Zurzeit bin ich als pädagogische Leitung für zwei stationäre Wohngruppen für unbegleitete minderjährige Ausländer zuständig. Davor bin ich als Familienpädagogin im ambulanten Bereich für den Bereich „ambulante Hilfen zur Erziehung“ in der sozialpädagogischen Familienhilfe und im Krisendienst tätig gewesen. Im 2014 wechselte ich in die Leitungsposition für den stationären Bereich.

  • Was hat Sie dazu bewogen, Ihren Beruf zu wählen?

Ich wurde in meinem Heimatland Kamerun als katholische Christin erzogen. Mein Vater war  Diakon in der katholischen Kirche tätig. Er hat mich inspiriert. Ich dachte sogar daran, in seine Fußstapfen zu treten und Nonne zu werden (lacht). Durch meine Eltern habe ich früh genug mitbekommen,  wie wichtig es war, anderen zu helfen und für sie in der Not, da zu sein. Es war mir schon immer ein Bedürfnis, fast sogar eine Berufung, mich um die Schwächsten der Gesellschaft zu kümmern. Nach einem Jahr als Aupair habe ich mir die Frage gestellt, was ich machen will. Gehe ich wieder zurück in mein Heimatland oder gibt es für mich Möglichkeiten, weiter in Deutschland zu bleiben? Ich habe auch darüber nachgedacht, was ich beruflich machen möchte,  falls ich bleibe (bleiben darf). Das war eine Entscheidung, die ich schnell treffen musste. Ich habe mich dann an der Universität Bremen im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften einschreiben lassen. Es ging damals darum, überhaupt eine Immatrikulation an einer Hochschule nachzuweisen, um in Deutschland bleiben zu dürfen. Dass Wirtschaftswissenschaft nicht mein Ding ist, war mir eigentlich klar. Kurz vor dem dritten Semester habe ich mich dann entschieden, WiWi abzubrechen und Sozialpädagogik zu studieren. Die Auseinandersetzung in meiner Diplomarbeit und die Erfahrungen aus meinen verschiedenen Nebentätigkeiten in der offenen Jugendarbeit während des Studiums haben mich letztendlich den Weg dorthin geebnet, wo ich heute arbeite. 

  • Was sind Ihre Aufgaben als pädagogische Leiterin dieser Einrichtung, in der unbegleitete minderjährige Ausländer untergebracht werden?

Die pädagogische Leitung ist fachlich verantwortlich für die Wohngruppen und ihre Bewohner. Unser tägliches Brot ist Kinderschutz, Sicherung des Kindeswohls im Auftrag des Jugendamtes. Als pädagogische Leitung trage ich u.a. die fachliche Verantwortung für die Fallannahme (Belegung der Plätze in der Einrichtung), die Fallbearbeitung und die pädagogischen Prozesse in meinen Bereichen. Ich kümmere mich in Absprache mit meinen Vorgesetzten um die Fachpersonalakquise, ich begleite und berate die Mitarbeiter*innen in den Wohngruppen,  ich sorge dafür, dass der Dienstplan abgesichert ist oder organisiere bei Bedarf die Vertretung,  ich beteilige mich an der konzeptionellen Weiterentwicklung in meinen Bereichen. Hinzu kommen die Kooperation mit anderen Fachstellen und die Ermittlung der fachlichen Bedarfe. Als pädagogische Leitung bin ich ebenfalls verantwortlich für das Krisenmanagement, unterstütze und berate meine Mitarbeiter*innen in Krisensituationen.  Manchmal kann es auch passieren, dass ich selbst den Dienst übernehmen muss. Aber das kommt selten vor. Selbstverständlich bin ich auch für die Bewohner da, höre zu, berate und sorge dafür, dass sie während des Aufenthaltes bei uns in der Wohngruppe ein schönes Zuhause auf Zeit haben und gute Lebensperspektiven sich für Sie ergeben.  

  • Können Sie Ihren typischen Arbeitsalltag beschreiben?

Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich mir meinen Arbeitstag frei einteilen kann. Natürlich gibt es immer wiederkehrende feste Termine. Ein typischer Arbeitstag bei mir ist eine Mischung aus Lesen, Telefonieren, organisieren, beraten, Lösungen finden und Vorgänge regeln.  Er beginnt damit, dass ich meine E-Mails abrufe, zu Hause oder im Büro. Ich schaue in unser Dokumentationssystem, wie oder was am Vortag oder in der Nacht in den Einrichtungen passiert ist, ob es allen Jugendlichen gut geht, ob es einen Vorfall gegeben hat, um den ich mich als Hauptverantwortliche kümmern muss. Dann gibt es Dienstbesprechungen, die online oder vor Ort stattfinden. Dazwischen muss ich auch schauen, ob die Betreuten bei uns in guten Händen sind und ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alles haben, was sie für einen guten Arbeitstag brauchen. Dies alles ist ein Spagat zwischen Familie und Beruf. Ich würde sagen, stets in Bewegung, auf dem Rad unterwegs, zwar aber auch viel am Schreibtisch und am Telefon. 

  • Was war das für ein Gefühl für Sie, als Sie das erste Mal für diese verantwortungsvolle Aufgabe vorgeschlagen wurden?

Ich bin jemand, der sich nicht gerne in den Vordergrund drückt. Ich habe mich nicht um die Stelle beworben. Meine Vorgesetzten sahen in mir Fähigkeiten, die sie in anderen Bereichen besser einsetzen wollten. Im Jahr 2014 habe ich viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus vielen Nationen, die nach Bremen gekommen sind, betreut. Ich muss sagen, dass ich wirklich Glück hatte und immer noch habe, gute Kolleginnen und Vorgesetzte zu haben, die mich in der Leitungsposition gesehen bzw. unterstützt haben. Ich konnte mich voll und ganz darauf verlassen, dass, auch wenn ich eine Entscheidung getroffen habe, die sich vielleicht als nicht passend herausstellte, wir das gemeinsam durchgestanden haben. Ich hatte auch deshalb nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. Ich habe einfach gesagt, okay, ich versuche es. Ich war und bin dankbar, diese Gelegenheit angeboten bekommen zu haben. 

  • Sind Sie als Frau nichtdeutscher Herkunft bei der Ausübung Ihrer Tätigkeit auf Schwierigkeiten gestoßen?

Eigentlich nicht. Weder privat oder im Studium noch bei der Arbeit. Wenn ich Schwierigkeiten hatte, hatte das weder mit meiner Hautfarbe, mit meinem Aussehen oder mit meiner Herkunft zu tun. Schwierigkeiten betrachte ich in der Regel als Herausforderungen. Während des Studiums waren meine Herausforderungen die Finanzierung des Studiums. Natürlich gibt es immer wieder Situationen, in denen man sich missverstanden oder diskriminiert fühlt. Aber ich gehe immer offen auf mein Gegenüber zu. Ich nutze diese Momente, um meinem Gegenüber zu signalisieren, dass ein Dialog möglich ist. Das bricht meistens das Eis. Ich muss auch sagen, dass das Führen und Begleiten von Menschen keine leichte Aufgabe und ein ständiges Lernen ist. Auch hier war ich mit Herausforderungen konfrontiert, da ich mich in einige Themenbereiche neu einarbeiten musste.

  • Waren Sie schon einmal so entmutigt, dass Sie aufgeben wollten?

Dieser Beruf hat mir immer geholfen, meine Situation zu relativieren. Ich bin zwar auch nicht in Deutschland geboren, so wie viele dieser Menschen, die ich betreue, und ich bin von meiner Familie getrennt, aber ich bin nicht geflüchtet. Das ist ein großer Unterschied. Meine Einstellung ist: Ja, es ist auch für mich schwierig, aber für andere ist es noch viel schwieriger. Auf diese Weise bin ich bestimmten Herausforderungen gegenüber positiv eingestellt. Das hilft mir, voranzukommen.

  • Wie und woher haben Sie die Motivation und die Kraft genommen, trotz der Schwierigkeiten weiterzumachen?

Gerade im Bereich der sozialen Arbeit kommt es sehr oft vor, dass wir mit den Schicksalen von Menschen, Familien, Kindern und Jugendlichen konfrontiert sind. Da ist es wichtig, sich auf sich selbst zu besinnen. Sich gut um sich selbst zu kümmern. Es ist auch wichtig, sich einzugestehen, dass es auch Situationen gibt, die wir nicht in der Lage sind zu lösen. Das müssen wir manchmal akzeptieren. Ich finde es immer wieder hilfreich, wenn man manchmal einen Schritt zurücktritt, um dann weitermachen zu können. Also Abstand nehmen, vor allem auch emotional.

Das Annehmen von Hilfe hilft mir auch, mich zu entlasten. Mein Mann ist in dieser Hinsicht eine große Unterstützung. Ich tausche mich oft mit meiner Schwester aus und habe Freundinnen, die in Schulen oder in rassismuskritischen Arbeitsbereichen tätig sind. 

Zur Zeit höre ich auch viele Podcasts. Mir gefallen die Podcast von Florence Brokowski-Shekete und Tupoka Ogette sehr gut. 

Ich habe auch schwarze Frauen in Deutschland, die mich inspirieren, wie Aminata Touré, Ministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung in Schleswig-Holstein, oder die kamerunische Gynäkologin Dr. Stéphania Mbianda, die aus meiner Sicht viel für die Sichtbarkeit des Potentials von Menschen aus afrikanischen Ländern tut u.a. 

Auch das Radfahren ist für mich eine große Hilfe. Allein der Gedanke, nach einem anstrengenden Tag oder Arbeitstermin aufs Rad zu steigen, macht mich glücklich (lacht). Ich singe auch sehr gerne. Ich singe einmal in der Woche in einem Gospelchor. Das setzt bei mir positive Energien frei.

  • Welche Botschaft würden Sie der jungen Frau, die Sie vor einigen Jahren waren, mit auf den Weg geben, wenn Sie sie heute treffen würden?

Du bist in Ordnung, so wie du bist. In dir steckt alles, was du brauchst. Du musst es nur noch zeigen.