“Gib Nicht Auf, Selbst Wenn Dein Weg Anders Ist.”
Interview mit Laura Mabeia
- Können Sie sich bitte in wenigen Worten vorstellen?
Ich bin 40 Jahre alt und Mutter von vier Kindern. Ich bin verheiratet und arbeite als Klinikpflegeleitung im Klinikum Bremen-Nord. Ich leite vier große Fachbereiche mit ca. 160 Mitarbeitern. Geboren bin ich in Bremerhaven, aber meine Wurzeln liegen in Nigeria.
- Was hat Sie dazu bewogen, Ihren Beruf zu wählen?
Ich bin wirklich altruistisch. Ich helfe gerne Menschen, und habe Spaß daran Menschen zu helfen, zu unterstützen und diesen Genesungsprozess zu beobachten und zu begleiten. Deshalb bin ich Krankenschwester geworden. Nach vielen Jahren in diesem Beruf habe ich gemerkt, dass das nicht alles ist, was ich will. Ich merkte, dass ich unzufrieden war. Ich wollte etwas verändern, aber das kann man als Krankenschwester nur begrenzt. Es gibt eine Grenze, bis zu der man gehen kann. Ansonsten muss man sich weiterentwickeln. Ich wollte ins Management. Dann kam natürlich die Frage auf, ob ich das mit vier Kindern wirklich schaffen kann. Damals bot mir mein Arbeitgeber eine Kooperation und unterstützte mein Studium mit einem. So konnte ich dann das Studium des Gesundheits- und Pflegemanagements absolvieren. Während des Studiums wurde ich zur Bereichspflegeleitung und Gott sei Dank eineinhalb Jahre später zur Klinikpflegeleitung befördert. Ich bin jetzt seit einem Jahr in dieser Position.
- Wie war es für Sie, gleichzeitig zu arbeiten, zu studieren und Mutter zu sein?
Am Anfang war es tatsächlich nicht immer leicht. Viele Leute in unserem Umfeld haben gefragt, ob ich das wirklich schaffe. Sie wollten mir ein bisschen ein schlechtes Gewissen machen mit Fragen wie: “Du bist doch Mutter. Wie schaffst du das mit den Kindern? Wirst du dich nicht überfordert fühlen?”
Aber wenn man weiß, dass die Familie hinter einem steht und einen unterstützt, so wie mein Mann, dann geht es. So habe ich weitergemacht. Ich hatte auch die Unterstützung vom Pastor meiner Gemeinde.
Ich habe das Studium gerne als Herausforderung angenommen, weil ich mir gesagt habe: Wenn andere das schaffen, warum nicht ich? Ich musste mir einen guten Zeitplan definieren. Ohne Struktur geht es nicht. Wenn man sich die Zeit gut einteilt, dann klappt es auch. Ich habe die Studienzeit sehr genossen. Dieses Studium auf dem zweiten Bildungsweg war genau das Richtige für mich. Und ich kann mir vorstellen, vielleicht noch irgendwann in Richtung Master zu gehen.
- Was war das für ein Gefühl für Sie, als Frau, als Sie für diese verantwortungsvolle Aufgabe vorgeschlagen wurden?
Ich fühlte mich sehr geehrt, musste aber auch einen Moment darüber nachdenken, ob ich bereit bin, diese Verantwortung zu tragen.
Die Position an sich als Frau zu besetzen ist nicht besonders außergewöhnlich. Im Gesundheitswesen, gerade in den Krankenhäusern, sind schon viele Frauen in Führungspositionen. Das ist immer noch ein von Frauen dominierter Beruf. Es war schon früher so, dass die Oberschwester/Stationsleitung eine Frau war.
In den Kliniken, in denen ich gearbeitet habe, waren Frauen Stationspflegeleitungen, Klinikpflegeleitungen und auch Geschäftsführende Direktorin. Das heißt, die Förderung von Frauen hat es auch dort schon gegeben. Natürlich ist es trotzdem eine Herausforderung, in eine führende Position zu kommen. Wenn wir in Richtung Medizin schauen, sind die Chefärzte tatsächlich überwiegend Männer. Frauen sind in Führungspositionen nach wie vor relativ unterrepräsentiert.
- Können Sie Ihren typischen Arbeitstag beschreiben?
Wir beginnen den Tag gleich um 8 Uhr mit einer Besprechung. Es wird kurz der aktuelle Stand in der Klinik besprochen und abgeklärt, ob es irgendwelche dringenden Dinge zu erledigen gibt. Dann geht es weiter mit Telefonaten und E-Mails. Vieles ist bereits im Terminkalender verplant, wie zum Beispiel die wöchentlichen Jours fixes mit den Chefärzten, Direktoren, Bereichs- und Stationsleitungen. Dann kommen noch die Mitarbeitergespräche und Teamgespräche. Wir haben eine “Open-Door-Kultur”. Das heißt, die Türen in unseren Büros stehen immer offen, so dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu uns kommen können, wenn sie ein Anliegen haben. Ich habe viele Sitzungen in Gremien, hier sind wir beratend und auch aktiv an Projekten beteiligt und entwickeln eigene Konzepte. Wir wollen auch die Wissenschaft einbeziehen und schauen, wie wir Konzepte anpassen oder umgestalten können. Und dann gibt es auch noch neben sämtlichen Personalthemen die wirtschaftliche Planung, die es zu berücksichtigen gilt. Also es gibt schon viele Bereiche, die von einer Klinikpflegeleitung abgedeckt werden.
- Sind Sie als Frau nichtdeutscher Herkunft bei der Ausübung Ihrer Tätigkeit auf Schwierigkeiten gestoßen?
Ich muss wirklich sagen, dass ich das in der Position, in der ich jetzt bin, noch nicht bewusst erlebt habe. Im Gesundheitswesen sind wir seit Jahren international unterwegs. Wir haben viele internationale Ärtz*innen, die zu uns kommen. Die Kliniken sind diesbezüglich sehr aufgeschlossen.
Wenn ich auf die Jahre zurückblicke, in denen ich als Krankenschwester gearbeitet habe, gibt es viele Begegnungen, bei denen ich wirklich gedacht habe: Das kann doch nicht wahr sein, dass die Leute immer noch so ignorant sind, was meine Hautfarbe angeht. Manchmal wurde ich von den Patienten gar nicht als Krankenschwester wahrgenommen. Manchmal wollten Patienten nicht von mir behandelt werden. Zum Glück sind meine Kollegen oder der Kreis, in dem ich mich bewege, Menschen, bei denen meine Hautfarbe keine Rolle spielt.
- Waren Sie schon einmal so entmutigt, dass Sie aufgeben wollten?
Ja, vor allem am Anfang, als ich die Funktion der Bereichspflegeleitung während des Studiums übernommen habe. Da habe ich die Arbeitsbelastung als sehr einseitig empfunden. Da muss man Coping-Strategien entwickeln: Wie kann ich das irgendwie kompensieren, damit ich das durchhalte, und nicht noch aufgebe. Natürlich gibt es diese Momente, in denen man das Gefühl hat, es ist zu viel, es war vielleicht doch nicht die richtige Entscheidung, zu diesem Zeitpunkt in eine Position mit Verantwortung zu wechseln. Aber ich glaube, man muss ein bisschen kämpfen und wissen, dass es etwas Besonderes ist. Man muss sich daran erinnern, dass es ein Privileg ist, diese Situation oder diese Position zu haben. Das hilft sehr.
- Wie und woher haben Sie die Motivation und die Kraft genommen, trotz der Schwierigkeiten weiterzumachen?
Ich bin Christ. Die Quelle meiner Kraft liegt in der Tat bei Gott. Ich kann es nicht anders ausdrücken. Von dort bekomme ich viel und kann viel zurückgeben. Eine meiner Copingstrategien ist, wenn ich einen schlechten Tag habe, meine Schwester in den USA anzurufen. Sie arbeitet auch im Management und wir tauschen uns viel aus. Sie hört mir zu und ermutigt mich. Natürlich unterstützen mich auch meine Familie und mein Mann. Er sagt: „Mensch, du bist so weit gekommen, das wird schon. „Du musst dich erst an die neue Umgebung und die neue Situation gewöhnen”.
- Hatten Sie Vorbilder, als Sie Ihre berufliche Laufbahn begannen?
Als ich mein Studium begonnen habe, hat mich Ursula von der Leyen sehr fasziniert. Ich bin eher Pazifist (lacht). Aber ich finde es toll, wie eine Frau aus der Medizin in die Politik gegangen ist, nebenbei 7 Kinder bekommen hat, promoviert und dann unsere Verteidigungsministerin wurde. Heute ist sie sogar Präsidentin der Europäischen Kommission. Das hat mich total inspiriert und ich habe mir gedacht, wow, wenn sie das kann, warum sollte ich das nicht versuchen? Wahrscheinlich hat sie 10 Nannies (lacht), aber ich fand es toll. Dies ist ein erstrebenswertes Ziel.
- Welche Botschaft würden Sie der jungen Frau, die Sie vor einigen Jahren waren, mit auf den Weg geben, wenn Sie sie heute treffen würden?
Gib nicht auf, selbst wenn Dein Weg anders ist. Du kannst Dein Ziel auch auf andere Weise erreichen. Höre auf die Stimme in Dir, die Dich ermutigt und Dir sagt, dass Du es schaffen kannst. Zu einem späteren Zeitpunkt kannst Du in Deinem Beruf neue Wege eingehen. Es gibt keine Misserfolge. Solltest Du Dein Ziel nicht sofort erreichen, hast Du dennoch Erfahrungen gesammelt und kannst andere damit ermutigen. Herausforderungen sind Chancen, die ergriffen werden müssen. Wenn man sich nie traut, aus seiner Komfortzone herauszukommen, wird man immer derselbe Mensch bleiben und irgendwann verbittert sein und sagen: „Mensch, hätte ich das doch mal gemacht.“ Verspürt man diesen Drang zur Veränderung, dann sollte man ihm nachgeben.