Mein Name ist Pétronille Upadek geb. Ngo Ngok. Ich komme ursprünglich aus Kamerun. Ich lebe seit 25 Jahren in Deutschland, in Bremen. Ich bin 45 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Ich bin damals als Au-pair-Mädchen nach Deutschland gekommen. Normalerweise sollte ich nach einem Jahr wieder Deutschland verlassen. Aber aus einem Jahr wurden zwei. Mit dem Beginn eines Studiums wurde mir klar, dass ich in Deutschland bleiben möchte. Ich bin Diplom-Sozialpädagogin und arbeite seit 2008 bei der Caritas Erziehungshilfe gGmbH in Bremen. Zurzeit bin ich als pädagogische Leitung für zwei stationäre Wohngruppen für unbegleitete minderjährige Ausländer zuständig. Davor bin ich als Familienpädagogin im ambulanten Bereich für den Bereich „ambulante Hilfen zur Erziehung“ in der sozialpädagogischen Familienhilfe und im Krisendienst tätig gewesen. Im 2014 wechselte ich in die Leitungsposition für den stationären Bereich.
Ich wurde in meinem Heimatland Kamerun als katholische Christin erzogen. Mein Vater war Diakon in der katholischen Kirche tätig. Er hat mich inspiriert. Ich dachte sogar daran, in seine Fußstapfen zu treten und Nonne zu werden (lacht). Durch meine Eltern habe ich früh genug mitbekommen, wie wichtig es war, anderen zu helfen und für sie in der Not, da zu sein. Es war mir schon immer ein Bedürfnis, fast sogar eine Berufung, mich um die Schwächsten der Gesellschaft zu kümmern. Nach einem Jahr als Aupair habe ich mir die Frage gestellt, was ich machen will. Gehe ich wieder zurück in mein Heimatland oder gibt es für mich Möglichkeiten, weiter in Deutschland zu bleiben? Ich habe auch darüber nachgedacht, was ich beruflich machen möchte, falls ich bleibe (bleiben darf). Das war eine Entscheidung, die ich schnell treffen musste. Ich habe mich dann an der Universität Bremen im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften einschreiben lassen. Es ging damals darum, überhaupt eine Immatrikulation an einer Hochschule nachzuweisen, um in Deutschland bleiben zu dürfen. Dass Wirtschaftswissenschaft nicht mein Ding ist, war mir eigentlich klar. Kurz vor dem dritten Semester habe ich mich dann entschieden, WiWi abzubrechen und Sozialpädagogik zu studieren. Die Auseinandersetzung in meiner Diplomarbeit und die Erfahrungen aus meinen verschiedenen Nebentätigkeiten in der offenen Jugendarbeit während des Studiums haben mich letztendlich den Weg dorthin geebnet, wo ich heute arbeite.
Die pädagogische Leitung ist fachlich verantwortlich für die Wohngruppen und ihre Bewohner. Unser tägliches Brot ist Kinderschutz, Sicherung des Kindeswohls im Auftrag des Jugendamtes. Als pädagogische Leitung trage ich u.a. die fachliche Verantwortung für die Fallannahme (Belegung der Plätze in der Einrichtung), die Fallbearbeitung und die pädagogischen Prozesse in meinen Bereichen. Ich kümmere mich in Absprache mit meinen Vorgesetzten um die Fachpersonalakquise, ich begleite und berate die Mitarbeiter*innen in den Wohngruppen, ich sorge dafür, dass der Dienstplan abgesichert ist oder organisiere bei Bedarf die Vertretung, ich beteilige mich an der konzeptionellen Weiterentwicklung in meinen Bereichen. Hinzu kommen die Kooperation mit anderen Fachstellen und die Ermittlung der fachlichen Bedarfe. Als pädagogische Leitung bin ich ebenfalls verantwortlich für das Krisenmanagement, unterstütze und berate meine Mitarbeiter*innen in Krisensituationen. Manchmal kann es auch passieren, dass ich selbst den Dienst übernehmen muss. Aber das kommt selten vor. Selbstverständlich bin ich auch für die Bewohner da, höre zu, berate und sorge dafür, dass sie während des Aufenthaltes bei uns in der Wohngruppe ein schönes Zuhause auf Zeit haben und gute Lebensperspektiven sich für Sie ergeben.
Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich mir meinen Arbeitstag frei einteilen kann. Natürlich gibt es immer wiederkehrende feste Termine. Ein typischer Arbeitstag bei mir ist eine Mischung aus Lesen, Telefonieren, organisieren, beraten, Lösungen finden und Vorgänge regeln. Er beginnt damit, dass ich meine E-Mails abrufe, zu Hause oder im Büro. Ich schaue in unser Dokumentationssystem, wie oder was am Vortag oder in der Nacht in den Einrichtungen passiert ist, ob es allen Jugendlichen gut geht, ob es einen Vorfall gegeben hat, um den ich mich als Hauptverantwortliche kümmern muss. Dann gibt es Dienstbesprechungen, die online oder vor Ort stattfinden. Dazwischen muss ich auch schauen, ob die Betreuten bei uns in guten Händen sind und ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alles haben, was sie für einen guten Arbeitstag brauchen. Dies alles ist ein Spagat zwischen Familie und Beruf. Ich würde sagen, stets in Bewegung, auf dem Rad unterwegs, zwar aber auch viel am Schreibtisch und am Telefon.
Ich bin jemand, der sich nicht gerne in den Vordergrund drückt. Ich habe mich nicht um die Stelle beworben. Meine Vorgesetzten sahen in mir Fähigkeiten, die sie in anderen Bereichen besser einsetzen wollten. Im Jahr 2014 habe ich viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus vielen Nationen, die nach Bremen gekommen sind, betreut. Ich muss sagen, dass ich wirklich Glück hatte und immer noch habe, gute Kolleginnen und Vorgesetzte zu haben, die mich in der Leitungsposition gesehen bzw. unterstützt haben. Ich konnte mich voll und ganz darauf verlassen, dass, auch wenn ich eine Entscheidung getroffen habe, die sich vielleicht als nicht passend herausstellte, wir das gemeinsam durchgestanden haben. Ich hatte auch deshalb nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. Ich habe einfach gesagt, okay, ich versuche es. Ich war und bin dankbar, diese Gelegenheit angeboten bekommen zu haben.
Eigentlich nicht. Weder privat oder im Studium noch bei der Arbeit. Wenn ich Schwierigkeiten hatte, hatte das weder mit meiner Hautfarbe, mit meinem Aussehen oder mit meiner Herkunft zu tun. Schwierigkeiten betrachte ich in der Regel als Herausforderungen. Während des Studiums waren meine Herausforderungen die Finanzierung des Studiums. Natürlich gibt es immer wieder Situationen, in denen man sich missverstanden oder diskriminiert fühlt. Aber ich gehe immer offen auf mein Gegenüber zu. Ich nutze diese Momente, um meinem Gegenüber zu signalisieren, dass ein Dialog möglich ist. Das bricht meistens das Eis. Ich muss auch sagen, dass das Führen und Begleiten von Menschen keine leichte Aufgabe und ein ständiges Lernen ist. Auch hier war ich mit Herausforderungen konfrontiert, da ich mich in einige Themenbereiche neu einarbeiten musste.
Dieser Beruf hat mir immer geholfen, meine Situation zu relativieren. Ich bin zwar auch nicht in Deutschland geboren, so wie viele dieser Menschen, die ich betreue, und ich bin von meiner Familie getrennt, aber ich bin nicht geflüchtet. Das ist ein großer Unterschied. Meine Einstellung ist: Ja, es ist auch für mich schwierig, aber für andere ist es noch viel schwieriger. Auf diese Weise bin ich bestimmten Herausforderungen gegenüber positiv eingestellt. Das hilft mir, voranzukommen.
Gerade im Bereich der sozialen Arbeit kommt es sehr oft vor, dass wir mit den Schicksalen von Menschen, Familien, Kindern und Jugendlichen konfrontiert sind. Da ist es wichtig, sich auf sich selbst zu besinnen. Sich gut um sich selbst zu kümmern. Es ist auch wichtig, sich einzugestehen, dass es auch Situationen gibt, die wir nicht in der Lage sind zu lösen. Das müssen wir manchmal akzeptieren. Ich finde es immer wieder hilfreich, wenn man manchmal einen Schritt zurücktritt, um dann weitermachen zu können. Also Abstand nehmen, vor allem auch emotional.
Das Annehmen von Hilfe hilft mir auch, mich zu entlasten. Mein Mann ist in dieser Hinsicht eine große Unterstützung. Ich tausche mich oft mit meiner Schwester aus und habe Freundinnen, die in Schulen oder in rassismuskritischen Arbeitsbereichen tätig sind.
Zur Zeit höre ich auch viele Podcasts. Mir gefallen die Podcast von Florence Brokowski-Shekete und Tupoka Ogette sehr gut.
Ich habe auch schwarze Frauen in Deutschland, die mich inspirieren, wie Aminata Touré, Ministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung in Schleswig-Holstein, oder die kamerunische Gynäkologin Dr. Stéphania Mbianda, die aus meiner Sicht viel für die Sichtbarkeit des Potentials von Menschen aus afrikanischen Ländern tut u.a.
Auch das Radfahren ist für mich eine große Hilfe. Allein der Gedanke, nach einem anstrengenden Tag oder Arbeitstermin aufs Rad zu steigen, macht mich glücklich (lacht). Ich singe auch sehr gerne. Ich singe einmal in der Woche in einem Gospelchor. Das setzt bei mir positive Energien frei.
Du bist in Ordnung, so wie du bist. In dir steckt alles, was du brauchst. Du musst es nur noch zeigen.