Trau Dich nach Hilfe und Unterstützung zu fragen!
Interview mit Tina Hausen-Hoffmann
- Können Sie sich in wenigen Worten vorstellen?
Mein Name ist Tina Hausen–Hoffmann. Ich bin kongolesisch, deutsch – kolumbianischer Abstammung und wurde in Kinshasa geboren. Dort bin ich bis zu meinem achten Lebensjahr aufgewachsen. In dieser Zeit habe ich von der Kraft starker schwarzer Frauen profitiert. „Diese haben mich wie eine Pflanze gut gedeihen lassen und mich mit sehr viel Stärke großgezogen“. Ich bin verheiratet und Mutter einer jungen Frau. Die Werte, die mir vorgelebt wurden, gebe ich an sie weiter. Mein beruflicher Werdegang begann mit meiner ersten Ausbildung zur Industriekauffrau. Zusätzlich habe ich mich zur IHK-Fremdsprachen-Korrespondentin Englisch zertifizieren lassen. Danach habe ich meine Bachelor Qualifikation im Bereich Wirtschaft nachgeholt. Aktuell bin ich in den letzten Zügen meines Master-Studiums in Logistik-Management & Consulting.
- Warum haben Sie sich damals für diesen beruflichen Werdegang, angefangen als Industriekauffrau bis hin zur Fremdsprachen-Korrespondentin, entschieden?
Ich sehe mich selbst eher als eine kreative Person. Doch mein Vater war immer mein Vorbild, hat seit fast fünfzig Jahren ein eigenes Unternehmen, und ich bin quasi durch ihn in diese Sparte reingerutscht. So stand ich immer zwischen zwei Stühlen. Auf der einen Seite diese natürliche Kreativität, die viele schwarze Frauen haben. Sei’s das man gerne malt, tanzt oder eine Entertainerin ist – ich glaube, das haben wir einfach im Blut. Der andere Aspekt ist die starke wirtschaftliche Seite, die mich durch meinen Vater geprägt hat. Ich habe mich damals nicht aus vollem Herzen für die Wirtschaft entschieden, aber heute profitiere ich davon, meine Kreativität mit Betriebswirtschaftlichen kombinieren zu können. Wenn man seinem Herzen folgt, kommen wundervolle Sachen zustande.
- Was waren denn Ihre Herausforderungen in Bezug auf Ihren beruflichen Werdegang gerade als schwarze Frau?
Ich bin 1990 zusammen mit meiner Schwester nach Deutschland gekommen. Damals gab es nicht sehr viele schwarze Menschen in Bremen aber die wenigen die es gab, waren vernetzt und kannten sich. In meiner Schulzeit gab es fünf schwarze an der ganzen Schule, in meiner Ausbildungszeit war ich die einzige schwarze Person und zu Anfang meiner Zeit bei der Lufthansa Technik in Hamburg konnte ich sie an einer Hand abzählen. Damals fühlte ich mich schon öfters mal deplatziert.
- Sie haben ein eigenes Unternehmen, wie heißt es und für was steht es?
Mein Unternehmen heißt Skills Lab UG. Unser Produkt „Skillab“ ist eine digitale Plattform im Bereich des B2B. Mit Hilfe von Skillab können sich Mitarbeiter*Innen eines Unternehmens auf Grundlage ihrer Fähigkeiten und Erfahrungen vernetzen, beispielsweise für Projekte oder Expertengruppen. Neben der Belegschaft profitiert auch das Management eines Unternehmens, weil so eine neue Art von Mobilität geschaffen wird. Durch die Pandemie haben Unternehmen gemerkt, dass es nicht immer nötig oder möglich ist extern nach Experten zu gucken. Stattdessen können Unternehmen mit Skillab vorhandene Ressourcen aus dem internen Mitarbeiter*Innen Pool nutzen.
- Sie waren ja vor einigen Jahren für längere Zeit in der USA. Haben Sie einen Unterschied zur Arbeitswelt hier in Deutschland bemerkt, gerade auch als schwarze Frau?
Ja, ich war sehr überrascht, wie gut mir die Zeit in den USA getan hat. Bevor ich dorthin ging, habe ich immer gesagt, das Land sei gar nichts für mich mit all den Themen wie soziale Ungerechtigkeiten und Rassismus. Als ich dann dort war, habe ich sehr schnell Akzeptanz erfahren und ich bin nicht mehr nur aufgrund meiner Hautfarbe aufgefallen. Wenn ich gefragt wurde, wo ich herkomme, war das nicht ablehnend gemeint, sondern interessiert. In den USA habe ich sehr viel gelernt in Bezug auf Karriere. Dort ergreifen viele „Woman of Color“ Berufe wie Ärztinnen, Lehrerinnen oder sind Managerinnen in großen Corporations. Meine eigene Ärztin in den USA war eine schwarze Frau. Diese vorbildlichen Umstände zu sehen, hat mich inspiriert und mir Hoffnung gegeben. Das wünsche ich mir auch für Deutschland. Mit #Dasschaffstduauch zeigen wir, es gibt uns schon. Jetzt ist es an der Zeit, dass mehr schwarze Frauen trauen sich zu zeigen, zu Vorbildern werden und hoffentlich somit starke Netzwerke in der Community entstehen.
- Hatten Sie Mentor*Innen?
Ich habe spät gelernt, nach Hilfe zu fragen und hatte als junge Frau nur meinen Adoptivvater als Mentoren. Aus diesem Grund bin ich heute selber gerne Mentorin.
- Sie haben vorhin auch von ihrer Tochter gesprochen. Welche 3 Tipps würden Sie jungen schwarzen Mädchen mitgeben?
Ich möchte gerne drei Tipps an junge Mädchen, aber auch an deren Mütter geben. Es geht dabei um Werte die man von zu Hause her mitbekommt. Die jungen Mädchen von heute sind schließlich die Mütter von morgen.
Es ist unglaublich wichtig, unseren Kindern eine gewisse Stärke von Haus aus mitzugeben. Wir sind nicht mehr die Generation, die zum Beispiel Probleme mit der Sprache hat. Heute wissen wir, dass es möglich ist in zwei Kulturen zu leben. Auf der einen Seite ist die Kultur der Eltern, die man beibehalten und weitergeben möchte und andererseits die Erfahrung der Integration. Viele junge schwarze Menschen waren noch nie im Land ihrer Vorfahren, fühlen sich eher als Deutsche, haben mit der Kultur und dem Land ihrer Großeltern kaum noch Berührungspunkte. Einige sind komplett „angekommen“, andere kämpfen noch mit Themen wie Rassismus und Akzeptanz. Aber wenn von zu Hause aus, der Samen der Akzeptanz und der Stärke schon gesetzt ist, können all die anderen Themen, die von außen kommen viel einfacher angegangen werden. Ich sage meiner Tochter regelmäßig, dass sie stark ist und alles machen kann, wenn sie gewillt ist, dafür zu arbeiten. Denn Faulheit kann auch ein Hindernis sein (lächelt).
Ein anderes großes Problem ist, dass wir oft nicht um Hilfe oder Rat fragen. Mit dem Wissen immer doppelt so hart arbeiten zu müssen, bleibt das oft auf der Strecke. Ich habe beim Aufbau meiner Firma viel um Hilfe bitten müssen und habe nur gute Erfahrungen gemacht. Oftmals bekomme ich auf Anfragen hin ein JA als Antwort. Daher ist mein zweiter Rat, dass sich junge Mädchen öfters trauen sollten um Unterstützung zu bitten. Fragen kostet nichts und viele Menschen wollen helfen.
Der dritte Rat ist eventuell der schwierigste. Auch wenn wir aufgrund unserer Hautfarbe anders gesehen und eventuell sogar anders behandelt werden, müssen wir versuchen fokussiert zu bleiben und uns nicht durch andere von unseren Zielen ablenken zu lassen. In dieser Situation vergleiche ich mich immer mit einem Betriebssystem. Wenn 25 % meiner Kapazität mit diesen negativen Gedanken beschäftigt ist, sind das 25 % die ich nicht für etwas positives nutze.