Nimm Dir was Du möchtest und lasse Dich nicht von anderen definieren!
Interview mit Ngozi Odenigbo
- Stellen Sie sich gerne in ein paar Worten vor.
Ich heiße Ngozi Odenigbo und bin 42 Jahre alt. Ich bin Deutsch – Nigerianerin, lebe seit 2016 in Hamburg. Ich bin Ärztin und befinde mich im Moment in der Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin. Nebenbei habe ich zwei Vereine mitgegründet, zum einen Our journey Beyond, dieser Verein ist für Schwarze Frauen und Kinder in Hamburg. Der zweite Verein heißt Black in Medicine, das ist ein Verein für Schwarze Mediziner*innen im deutschsprachigen Raum. Seit einigen Woche bin ich auch Mitglied des Hamburger Integrationsbeirats.
- Wieso haben Sie sich für diesen beruflichen Werdegang entschieden?
Ärztin zu werden war mein allererster Berufswunsch, ich wollte schon als Kind Ärztin werden. Letztendlich habe ich viele verschiedene Sachen ausprobiert und bin erst viel später zum ursprünglichen Wunsch, Medizin zu studieren, zurückgekehrt. Ich bin sehr dankbar für diesen Beruf, da ich die Auseinandersetzung mit dem Menschen auf so vielseitige Art und Weise sehr spannend finde.
- Was waren ihre größten Herausforderungen?
Die Menge, die gelernt werden muss, war eine sehr große Herausforderung. Bis zum Physikum war der Druck immens hoch, in der Zeit ist es wichtig nicht den roten Faden zu verlieren. Einige hörten auch vor dem Physikum auf, weil der Stress sehr groß war. Doch wenn man die erste große Prüfung hinter sich gebracht hat, ist das wie eine Feuertaufe.
- Hatten Sie Mentoren?
Nee leider gar nicht. Ich krieg das jetzt mit durch „Black in Medicine“ das einige von den Schwarzen Student*innen Mentor*Innen haben, und wir wollen selbst ein Mentoringprogramm auf die Beine stellen. Aber ich selbst hatte keinen offiziellen Mentor oder Mentorin. Meine Mutter war allerdings immer für mich da, die selbst Ärztin ist. Mit ihr konnte ich mich immer austauschen.
- Was sind Ihre persönlichen Ziele?
Ich habe mich bewusst für die Allgemeinmedizin entschieden, da die Tätigkeit als Hausärztin in einer Praxis mit geregelten Arbeitszeiten und das Muttersein sich sehr gut miteinander vereinbaren lassen. Ich habe die Möglichkeit ohne Nachtdienste oder viele Überstunden zu arbeiten. Inhaltlich möchte ich mich in der Medizin mit marginalisierten Gruppen auseinandersetzen. Aus diesem Gedanken heraus ist unter anderem auch „Black in Medicine“ entstanden. Es ist wichtig, dass Schwarze Perspektiven in der Medizin aufgezeigt werden. Außerdem muss sich angeschaut werden ob und wie Schwarze Menschen in der Medizin in den unterschiedlichsten Kontexten vertreten sind, sei es in der Lehre an den Universitäten oder auch im Kontext Arbeitswelt, Patient*innenversorgung.
Was lernen Studierende über Schwarze Menschen? Wie lassen sich bestimmte Krankheiten auf schwarzer Haut erkennen? An diesen Beispielen wird klar, dass es gar keine Repräsentation gibt. Auch für die Arbeitswelt ist es wichtig, mit Empowerment Workshops Ärzt*Innen und Schwarze Personen aus anderen Gesundheitsberufen zu stärken. Wir bewegen uns oft in mehrheitlich weißen Räumen, die oft hierarchisch strukturiert sind. Hier können viel von Rassismus betroffene Menschen sich oft isoliert fühlen.
- Welche 3 Tipps würden Sie jungen Schwarzen Mädchen mitgeben?
Es ist wichtig sich auszutauschen, mit Menschen, die den gleichen Weg gehen. Ich selbst hatte eine gute Freundin, Darling Dafinone, Mitgründerin von „Black in Medicine“, mit der ich im Laufe des Studiums, aber auch nachdem ich anfing zu arbeiten, in ständigem Austausch darüber war, was wir so an der Universität erleben oder auch bei der Arbeit.
Des Weiteren ist mir Zielstrebigkeit und sich dabei trotzdem Pausen zu nehmen sehr wichtig. Es macht nicht glücklicher das Studium gestresst und in der Regelstudienzeit durch zu ziehen. Die Zeit rennt uns nicht weg. Es ist wichtig mit sich zufrieden und ausgeglichen zu bleiben.
Der letzte Tipp ist, sich nicht von anderen definieren zu lassen. Mir gegenüber reagieren einige Menschen überrascht, wenn ich ihnen sage, dass ich Ärztin bin. Es scheint nicht in ihre stereotypen Vorstellungen dessen zu passen, wie eine Ärztin auszusehen hat. Wenn ich beispielsweise früher sagte, ich arbeite im Krankenhaus, wurde oft angenommen, ich sei Krankenschwester.
An diesem Beispiel wird meiner Meinung nach sehr deutlich, dass wir Schwarze Menschen viel zu selten in Positionen innerhalb Academia, Politik, oder sonstige Positionen der Mitgestaltung auftauchen. Wir müssen in diese Räume rein.