Sei Stolz auf Dich und vor allem, glaube an Dich!
Interview mit Christiane Kassama
- Können Sie sich in wenigen Worten vorstellen?
Mein Name ist Christiane Kassama, ich lebe in Hamburg und wurde in Baden – Baden geboren. Aktuell leite ich im Hamburger Westen eine Kita mit über 90 Kindern. Außerdem habe ich zusammen mit meinem Team eine Rassismus-kritische Kita entwickelt. Des Weiteren gebe ich Seminare zur Rassismus – kritischen Bildungsarbeit, mit dem Schwerpunkt frühkindliche Bildung für Kinder im Alter von 1- 6 Jahren. Ein weiterer Schwerpunkt in diesem Arbeitsspektrum ist der Rassismus in Kinderbüchern. Dazu bin ich immer mal wieder zu Diskussionsrunden in Bücherhallen und auf anderen Events gebucht. Außerdem habe ich zwei erwachsene Söhne, die auch in Hamburg leben.
- Warum haben Sie sich damals für diesen beruflichen Werdegang entschieden?
Von Haus aus bin ich Erzieherin, ich hatte schon immer eine große Liebe für Kinder und junge Erwachsene. Ich bin von Grund auf eine Pädagogin, es ist für eine große Freude in Bereich Kinderbildung tätig zu sein. Außerdem sind Kinder die Zukunft der Gesellschaft, die wir als Pädagogen und Pädagoginnen mitprägen können.
- Hatten Sie Mentoren?
Ja, hatte ich. Ich war lange aktiv in der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) für den Raum Hamburg. In Hamburg gab es meiner Meinung nach schon eine sehr gute politische Grundlage in der Black Community. Diese bot Möglichkeiten sich als Schwarze Person weiter zu entwickeln durch Seminare und Veranstaltungen an.
- Was waren denn Ihre Herausforderungen auf Ihrem Weg angefangen als Erzieherin bis hin zur Kita Leitung?
Ich bin in einem weißen Umfeld aufgewachsen und mit dieser Prägung in den Beruf der Erzieherin eingestiegen. Eine große Veränderung kam dann 1989 auf mich zu als mein erster Sohn geboren wurde. Als Schwarze Mutter bekam ich eine andere Perspektive. Vor allem, wenn es darum geht, positive Identifikationsmaterialien für das eigene Kind zu finden. „Suche mal in Deutschland, selbst in einer Großstadt wie Hamburg danach“. Wir haben damals nichts gefunden. So haben wir immer im Ausland in der USA und England nachschauen müssen. Damals gab es z.B nur weiße Duplo – Figuren. Ich bin künstlerisch nicht so begabt, hatte aber zum Glück eine Freundin, die die Figuren für unsere Kinder schwarz angemalt hat.“
Damals gab es eine Gruppe von Eltern mit Schwarzen Kindern, die sich regelmäßig getroffen haben. In diesem Rahmen ist ein Kindergarten entstanden in die Kinder, die von Rassismus betroffen sind eine schöne Kindergartenzeit erleben sollten. Ich habe die Kita mit weißen und schwarzen Eltern zusammen aufgebaut und dort auch einige Jahre gearbeitet. Wir waren damals nicht wirklich reif genug für dieses Konzept, denn der Druck von außen stieg stetig. Dieser Druck hat das Konzept der Kita zunichte gemacht. Die Kita ist dann, mit einem anderen Konzept weitergewachsen und ich habe sie aus unterschiedlichen Gründen verlassen.
Zurück in der „normale“ Kita Welt habe ich meine Einstellung zur Rassismus-sensiblen Arbeit in Kitas mitgenommen. Das bedeutet das hat meine pädagogische Arbeit im weiteren Verlauf massiv geprägt.
Als ich vor ca. 12 Jahren in die Leitungsposition bei einem freien Träger kam, habe ich dort heftige Rassismus Erfahrung gemacht. Diese kamen von Seiten der Eltern, des Teams und des Trägers. Ich war darauf nicht vorbereitet, da ich damals dachte ich bin in der Welt der Pädagogik angekommen. Das System war nicht vorbereitet eine schwarze Frau in einer Leitungsposition zu sehen. Ich aber auch nicht. So habe ich beschlossen dort aufzuhören und hatte vor eine eigene Kita aufzubauen. Aus finanziellen Gründen habe ich mich dagegen entschieden.
Bei einem neuen Träger, bei dem ich bis heute noch arbeite, machte ich mir Gedanken wohin meine Kita sich pädagogisch hin entwickeln sollte und was für mich als schwarze Leitung wichtig ist. Mir war wichtig, dass mein nicht diverses Team ein Antirassismus Training (Phoenix) macht. Das habe ich nach einem Jahr meiner Tätigkeit auch umgesetzt. Das war im nach hinein der der richtige Weg, denn das hat eine Basis geschaffen und ein Statement gesetzt. Diese benötigt man als Schwarze Leitung in einem komplett weißen Team. In einer sehr weiß strukturierten Umgebung und natürlich in einem System was bis heute mit strukturellem Rassismus besetzt ist.
Durch regelmäßige Teamarbeit an Rassismus-kritischer Denkweise bin ich stolz darauf zu sagen: da steht 2021 eine Rassismus-kritische Kita in diesem Stadtteil und ich bin dort die Leitung. Mit einem Team was sich immer weiterentwickelt. Die Elternschaft ist diverser geworden aber wir entwickeln uns gemeinsam immer weiter. Das ist ein schönes Erleben und ein klares Statement für eine nachhaltige Veränderung der Gesellschaft.
Seit 2018 gebe ich Parallel dazu Seminare mit dem Schwerpunkt Rassismus-kritische Bildungsarbeit in der frühkindlichen Bildung zwischen 1 und 6 Jahren. Dafür werde ich von Kita und Träger für Workshops und Dienstbesprechungen gebucht. In Bezug auf den Schwerpunkt Rassismus in Kinderbüchern werde ich für Diskussionsrunden oder Interviews gebucht und nehme an pädagogischen Fachtagungen mit Workshops teil.
- Welche 3 Tipps würden Sie jungen Schwarzen Mädchen mitgeben?
Seid stolz auf euch und seid stolz das ihr es bis dahin geschafft habt. Unser System macht es Schwarzen Kindern und Jugendlichen in der Schule sehr schwer ihre Selbstverwicklungsziele zu erreichen egal welchen Beruflichen Weg sie eingehen wollen.
Schaut jeden Morgen in den Spiegel und klopft euch dabei auf die Schulter aber vor allem glaubt an euch. Wenn junge Frauen von Rassismus in der Schule, im Berufsleben oder an Universitäten betroffen sind, ist es wichtig Halt in den eigenen Familien, bei Freunden und/oder in den Community’s zu finden. Es ist wichtig, an Empowerment Trainings teilzunehmen, um die Strukturen in den Institutionen zu begreifen. Das bewirkt, Rassismus nicht persönlich zu nehmen und zu wissen, dass es ein Konstrukt auf der ganzen Welt ist, welches auf Denk- und Machtstrukturen basiert.
Es ist gut in hohe Positionen zu kommen, damit man die Chance hat Veränderungen zu schaffen. So kann der strukturelle Rassismus in dem System, in dem man arbeitet, angegangen werden z.B. durch festgelegte Empowerment-/ Antirassismus-Trainings in der Arbeitswelt.