Sei selbstbewusst und lass Dich niemals einschüchtern!
Interview mit Frau Ivon Wandtke-Ossei-Poku
- Stellen Sie sich doch gerne in wenigen Worten vor.
Mein Name ist Ivon Wandtke-Ossei-Poku. Ich bin in Hamburg geboren und aufgewachsen und als Rechtsanwältin aktuell im Bereich Wirtschaftsrecht auch in Hamburg tätig. Studiert habe ich in Hamburg und Paris. Als ich jünger war, war ich ein richtiger Bücherwurm. Ich habe Tag und Nacht gelesen, weil ich mich viel gelangweilt habe. Mein Abi habe ich auf einem humanistischen Gymnasium gemacht, bei dem ein besonderer Schwerpunkt auf Musik gelegt werden konnte. Ich habe mich damals für Cello entschieden. Das steht hier auch noch brav in der Ecke und wartet darauf mal wieder gespielt zu werden (lacht). Meine Lieblingsfächer waren Philosophie, Deutsch, Latein und Psychologie.
- Warum haben Sie sich gerade für diesen beruflichen Werdegang entschieden?
Als sich die Frage stellte, was ich nach dem Abi machen möchte, habe ich mich lange sehr schwergetan. Ich konnte mir gut vorstellen Kulturwissenschaften und Sprachen zu studieren. Ebenso fand ich Rechtswissenschaften ein spannendes Gebiet. Ein Onkel von mir war Richter und der hatte mal gesagt, dass das juristische Grundstudium eigentlich für jeden verpflichtend sein sollte, so dass jeder als mündiger und informierter Bürger über seine Rechte und Pflichten aufgeklärt wäre. Das hat mich beeindruckt und überzeugt. Dazu kam, dass viele sehr bekannte deutsche Schriftsteller Juristen waren. Für mich hieß das zum einen, dass die juristische Ausbildung eine sehr gute sein musste und zum anderen, dass ich mich noch nicht auf – klassisch juristische – Berufe festlegen musste. Hat man aber das zweite Staatsexamen erfolgreich absolviert, hat man sich wirklich viel mit Recht beschäftigt. Die Examina sind sehr anspruchsvoll. Man muss viel lernen und investiert da deutlich mehr Zeit als in die Abschlüsse vieler anderer Studiengänge. Ich hatte am Ende eine Fachkompetenz erlangt, die ich in meinem beruflichen Alltag auch nutzen wollte. Deshalb bin ich nun doch in einem klassisch juristischen Beruf gelandet. Ich habe aber natürlich auch großen Spaß an der Juristerei!
Im Studium lag mein Schwerpunkt im Zivilprozess- und Insolvenzrecht. Während des Referendariats habe ich in verschiedene spannende Bereiche hereingeschnuppert. Ich war z.B. bei der Staatsanwaltschaft und konnte in der Rolle der Staatsanwältin vor Gericht auftreten. Ich habe am Landgericht in einer Spezialkammer für Urheberrecht gearbeitet oder war beim Oberlandesgericht beim Senat, der vor allem für Heilmittelwerbe-, und Wettbewerbsrecht zuständig ist. Nun arbeite ich im Bereich des Insolvenzrechts. Eine für mich interessante Seite der Ausbildung ist, dass diese einen befähigt, mit dem gelernten Handwerkszeug, erfolgreich in den verschiedenen Bereichen des deutschen Rechts zu arbeiten.
- Hatten Sie Mentoren auf Ihrem Weg?
Nee, tatsächlich nicht. Ich habe mir aber auch nicht aktiv jemanden gesucht. Ich war schon immer sehr auf mich allein gestellt und habe dadurch eine sehr starke Persönlichkeit und Haltung entwickelt, mit der ich immer alles selbst gestemmt habe. Ich habe bestimmt potentielle Mentor*innen übersehen, die mir manches vielleicht leichter gemacht hätten. Aus heutiger Sicht würde ich aber allen raten, sich Mentor*innen zu suchen, die einen mit Rat und Tat unterstützen können.
- Was waren Ihre größten Herausforderungen?
Zum einen waren die Staatsexamina und die Vorbereitung auf diese sehr anspruchsvoll. Es gab aber auch persönliche Herausforderungen, die es mir schwer gemacht haben und mich deshalb geprägt haben. Auf einem der Flure der juristischen Fakultät kamen mir beispielsweise mal zwei Professoren entgegen. Als die mich sahen, meinte der eine zum anderen „Das müssen wir verhindern!“. „Das“ war in dem Fall die Schwarze Frau, die ihnen entgegenkam und ganz offensichtlich Juristin werden wollte. Zu dem Zeitpunkt gab es lediglich noch zwei weitere Schwarze Kommilitonen an der gesamten juristischen Fakultät. Ich fiel also auf. Meine Reaktion war damals, ok, jetzt erst recht! Wenn man mich dazu bringen möchte, von einem Ziel abzulassen, dann muss man es mir eher sehr einfach machen. So ein „Nee, du nicht„, das ich natürlich deutlich mehr als ein Mal in meinem Leben erfahren habe, führt bei mir meistens dazu, dass ich zeige, dass ich mir das nicht gefallen lasse, durchhalte und angreife. Ein anderes Beispiel ist, dass ich von einer Kommilitonin mal bei einer Rückgabe einer Hausarbeit mit großen Augen gefragt wurde, ob ich eigentlich öfter mal rassistische Erfahrungen mache. Meine Note hatte also nicht nur mich verwundert.
- Was sind Ihre Ziele – persönlich, wie auch beruflich?
Mein nächstes Ziel ist die nebenberufliche Promotion. Thema wird ein Rechtsvergleich des deutschen und des ghanaischen Rechts sein. Ich liebe das wissenschaftliche Arbeiten, das im beruflichen Alltag in den Hintergrund tritt und freue mich darauf, mich mit dem für mich noch fremden ghanaischen Recht auseinanderzusetzen. Gerne würde ich auch ehrenamtlich eine niedrigschwellige Beratung mit dem Fokus auf Schwarze Menschen in Deutschland initiieren und weitere für diese Idee gewinnen.
- Welche drei Tipps würdest du jungen Schwarzen Mädchen mit auf ihren Weg geben?
Sei selbstbewusst und lass dich niemals (!) einschüchtern! Wenn es hart auf hart kommt, muss man sein Recht notfalls auch vor Gericht durchsetzen. Es ist wichtig einzufordern, was einem zusteht. Leider werden wir so manches Mal zunächst nicht ernst genommen. Du wirst immer wieder mal in Situationen kommen, in denen es dir schwerer gemacht wird.
Fang früh mit dem Netzwerken an! Such dir Leute, mit denen du dich auf Augenhöhe austauschen kannst und für den gegenseitigen Support. Am besten auch branchenübergreifend. Das kann sehr bereichernd sein und den Rücken stärken.
Arbeite an deinen Zielen und lass dich weder ablenken noch abbringen! Natürlich müssen die Ziele umsetzbar sein und natürlich sollte man sich Meinungen anderer anhören und darüber nachdenken. Ich möchte aber allen MUT machen, sich nichts einreden zu lassen und die INNERE STÄRKE zu entwickeln, aus einem „Das schaffst du eh nicht, weil…“ ein #DASSCHAFFSTDUAUCH zu machen. Hat bei mir ja auch geklappt!